: Hamburgs Studenten werden wach
■ Uni-Streiks gehen jetzt quer durch die Republik Die StudentInnen lassen sich nicht mit ein paar Millionen abspeisen
Berlin (taz) - Die Protestwelle an bundesdeutschen Hochschulen hat mit Verspätung jetzt auch Hamburg erreicht: Weit über der Hälfte aller Fachbereiche werden mittlerweile bestreikt, die meisten Institute sind sogar „aktiv“ besetzt. An einer Demonstration gegen die Sparpolitik des Hamburger Senats nehmen am Mittwoch rund 7.000 Studierende teil.
Angefangen haben die Protestaktionen mit der Besetzung der sozialwissenschaftlichen Institute am vergangenen Wochenende. In den darauffolgenden Tagen zogen andere Fachbereiche „lawinenartig“ nach. Den Allgemeinen StudentInnenausschuß (AStA) traf der „Aufstand“ völlig unvorbereitet; als die erste Besetzung begann, waren die AStA-MitarbeiterInnen mit der Durchführung der gleichzeitig stattfindenden Wahl zum StudentInnenparlament beschäftigt. Später erklärte der AStA-Öffentlichkeitsreferent ausdrücklich, daß nicht die offizielle StudentInnenvertretung die Streikbewegung „initiiert“ habe und der AStA lediglich seine „Infrastruktur zur Verfügung“ stelle. Auch die hochschulpolitischen Verbände spielten keine Rolle mehr, sie mußten auf den fahrenden Zug aufspringen. Die eigentlichen Träger der Bewegung sind die Fachschaften.
Freiburg - Nach dem Streikbeschluß der studentischen vollversammlung liegt seit Donnerstag der Lehrbetrieb an der Freiburger Universität lahm. In allen Fachbereichen beschäftigen sich Arbeitsgruppen und umfunktionierte Seminare mit den Forderungen der „Freiburger Resolution“. Darin wird unter anderem „zur Sicherheit aller Studierenden“ die Renovierung der naturwissenschaftlichen Fakultätsgebäude gefordert. Ferner lehnen die StudentInnen das „Drei-Fächer -Lehramtskonzept“ strikt ab. Demnach sollen LehramtsstudentInnen in Baden-Württemberg künftig nicht zwei Fächer wie bisher, sondern drei studieren - bei gleicher Regelstudienzeit.
Die neue Studentenbewegung hat auch Marburg erreicht. Zur Stud-VV Dienstag abend kamen anstatt 200 knapp 1.000 StudentInnen. Einmütig wurde ein Warnstreik beschlossen. Gestern ging an der Phillips-Universität so gut wie nichts mehr. Auch in den naturwissenschaftlichen Fachbereichen fanden nur eine Handvoll Veranstaltungen statt.
Im Anschluß an eine Demo, an der sich bis gestern mittag 1.000 StudentInnen beteiligten, wurde die Sitzung eines Uni -Haushaltsausschusses gestört.
Mit einer Demonstration durch die Innenstadt begann der Aktionstag gestern in Tübingen. Das weitere Vorgehen wurde gestern abend (nach Redaktionsschluß) auf einer Vollversammlung beraten und beschlossen. Zur Berichterstattung waren StudentInnen aus Frankfurt und Berlin gekommen. Die Fachschaftsvertreter-Versammlung der Universität Stuttgart wollte sich zu einer Beteiligung am gestrigen Aktionstag nicht hinreißen lassen. Aktiv sind dafür aber die StudentInnen aus Heidelberg, Mannheim, Konstanz und Karlsruhe.
Auch in Gießen beschloß am Mittwoch abend eine Stud-VV den Streik. Gestern lagen drei Viertel aller Fachbereiche lahm, teilte eine Studentin mit.
In Berlin griff der Streik gestern auf Fach-und Berufsschulen über.
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