Schweden zog die Fäden für Bush und Arafat

■ Gestern enthüllte Schwedens Außenminister, wie die Annäherung zwischen USA und PLO zustande kam

Was am Mittwoch abend alle Welt überrascht hatte - das Dialogangebot von US-Außenminister Shultz an Arafat, dem er gerade noch Einreiseverbot erteilt hatte - entpuppte sich gestern als sorgsam eingefädelte stille Diplomatie. Und dann ging es auch sofort los. Noch am gleichen Tag nahm der US -Botschafter in Tunis Kontakt mit dem dortigen Hauptquartier der PLO auf - zunächst per Telefon.

Genf gestern morgen, Stunden nach der frohen Botschaft aus Washington: Strahlende Gesichter in der PLO-Delegation, „große Befriedigung“ bei UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar und vor allem ein vor Stolz fast berstender schwedischer Außenminister Stan Anderson. Nach monatelanger „stiller Diplomatie“ konnte er endlich auch öffentlich seine Rolle beim Zustandekommen des historischen Durchbruchs zwischen der PLO und den USA schildern.

Vor Monaten schon war Anderson zu „Gesprächen mit allen Parteien Israels sowie mit Vertretern der PLO“ nach Jerusalem und Amman gereist. Am 21. November organisierte er „ein Geheimtreffen zwischen zwei Mitgliedern des PLO -Exekutivrates und jüdischen Persönlichkeiten aus den USA“ in der schwedischen Hauptstadt. Hier entstand die erste Fassung für die Formulierungen, die er dann zwei Wochen später nach einer Sitzung mit Arafat brieflich an US -Außenminister Shultz übermittelte. Die israelische Regierung wurde „direkt nach dem Arafat-Besuch in Stockholm am 7. Dezember“ informiert.

Jetzt erscheint auch die zwischen den beiden Stockholm -Terminen erfolgte Weigerung der USA, Arafat ein Visum zu erteilen, in einem anderen Licht. Es war eine diplomatische Geste zur Beruhigung Israels, und zugleich ein Druckmittel gegenüber der PLO, um die von ihr zunächst vorgelegten Formulierungen im Sinne der US-Bedingungen nachzubessern.

Die zunächst negative Reaktion aus Washington auf Arafats Rede am Dienstag erklärte Anderson mit „durch kulturelle Unterschiede bedingten sprachlichen Mißverständnissen“. Tatsächlich sei in der Rede bereits „alles enthalten gewesen, was die USA wollten“. So sind denn auch die „Klarstellungen“ in Arafats Pressestatement am Mittwoch abend, mit denen die US-Administration ihre Bereitschaft zur Gesprächsaufnahme begründete, eher syntaktischer als taktischer Natur: Das in einem langen Schachtelsatz der Arafat-Rede eindeutig auf den „Staat Palästina, Israel und die Nachbarn“ bezogene „Recht auf Existenz in Frieden und Sicherheit“ ergänzte der PLO-Führer auf seiner Pressekonferenz noch um den Halbsatz „einschließlich des Staates Palästina, Israels und seiner Nachbarn“. Die Absage an den Terrorismus wurde um die Adjektive „totale und absolute“ erweitert. Außerdem trug Arafat sein kompaktes, neunminütiges Pressestatement auf Englisch vor und wiederholte die für Washington wichtigen Sätze noch einmal. In seiner 80minütigen, auf Arabisch gehaltenen Rede dagegen waren die entscheidenden Formulierungen, über verschiedene Stellen verstreut. Außerdem war nach Aussage arabischer Journalisten die schriftliche englische Fassung seiner Rede wie die Simultanübersetzung an einigen Stellen unkorrekt.

Zu den „Klarstellungen“ Arafats wie zur positiven Reaktion Washington in der Nacht auf Donnerstag trugen neben den Genfer Bemühungen schwedischer Diplomaten auch intensive Telefonate des ägyptischen Staatspräsidenten Mubarak mit Präsident Reagan und dem PLO-Führer bei. Washingtons Zusage zur Aufnahme von Gesprächen hatte Arafat bereits in der Tasche, bevor er am Mittwoch abend in bester Stimmung vor die Medien trat, die nach der Rede des US-amerikanischen UNO -Botschafters Vernon Walters zunächst von einem Scheitern der Bemühungen ausgegangen war.

Schwedens Außenminister Anderson, der sich als „guter Freund Israels“ bezeichnete, der „alle Ministerpräsidenten von Ben Gurion bis Shamir kennt“, zeigte sich vorsichtig optimistisch. Israel werde sich „nach einer Periode des Verdauens der Washingtoner Entscheidung auf die neue Lage einstellen“. Für die nach dieser Vollversammlung beginnenden Bemühungen um das Zustandekommen einer Nahost -Friedenskonferenz bot Anderson auch künftig die guten Dienste der schwedischen Diplomatie an.

Andreas Zumach