: Baum über Autobahn
■ Daimler-Benz wollte 50 Jahre alte Kastanie nicht fällen
„Ob das die Borgward-Kastanie ist...“ Wendelin von Machui, der Pressesprecher des Bremer Daimler-Benz-Werkes, wollte sich nicht festlegen. Aber vor 50 Jahren in der Zeit der feierlichen Einweihung des Borgward-Werkes im preußischen Hemelingen, so um den 23.9.1938, muß sie gepflanzt worden sein, die alte Kastanie. Vorgestern stand sie noch im Wege zwischen Bauwagen, hätte wahrscheinlich demnächst einer Halle weichen müssen.
Aber das Autowerk nennt nicht nur 16.000 Bäume auf dem Werksgelände sein eigen, es scheute auch weder Kosten noch Mühe für die alte Kastanie. In Zusammenarbeit mit den Gartenbau-Architekten Schreckenberg & Co bereitete die Abteilung für Baumchirurgie der Gartenbau-Firma Peppeler die Kastanie seit zwei Jahren auf die Umpflanzung vor - Schritt für Schritt wurden die Wurzeln in einem Kreis von 2 Metern gekappt, um den Baum zu motivieren, seine Feinfühler im Wurzelstock nach innen zu verdichten.
Ein 180-Tonner Kranwagen kam am gestrigen Sonntag mit vier Mann Besatzung, um den 20 Tonnen schweren und 12 Meter hohen Riesen rauszureißen. Zum Spektakel der Schaulustigen stellte ihn der Kranfahrer - „Ich muß mir mal eben 'ne Zigarette drehen“ - zunächst auf der vierspurigen Hochstraße ab, die das Daimler-Geländer zerteilt. Von dort wurde er im neuen Werksteil in sein neues Bett gehievt.
Ob er da anwächst, da will Gartenbauer Born, „keine Garantie darauf geben“. So einen großen Baum hat die Firma noch nicht verpflanzt. 400 Liter verdunstet eine alte Kastanie pro Tag, soviel können die verbliebenen Wurzeln nicht aufnehmen.Zur Vorsicht werden die ersten neuen Blätter deshalb im Frühjahr mit Wachs besprüht, damit sie weniger verdunsten. K.W
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen