KOMMENTAR: Lack ab
■ Die Arroganz der Sozialisten mobilisiert die Spanier
Auf den heißen Herbst der Gewerkschaften folgt für den spanischen Regierungschef Felipe Gonzalez nun ein kühler Winter. Die Sozialisten waren 1982 mit absoluter Stimmenmehrheit ins Parlament eingezogen, und 1986 wurden sie bei den Wahlen bestätigt. Auf diesem bequemen Polster haben sie nun sechs Jahre lang regiert: Im angenehmen Bewußtsein, daß weder von rechts noch von links ernsthafte Opposition drohte oder gar eine politische Alternative, entwickelten sie sich dabei zu quasi-feudalistischen Inhabern der Staatsmacht. Jahrelang schienen sie es nicht nötig zu haben, die Klagen der Untertanen auch nur wahrzunehmen. Das hat sich nun gerächt.
Die unerwartet hohe Beteiligung am Generalstreik und die Demonstrationen in vielen spanischen Städten während der vergangenen Tage richten sich nicht nur gegen das Jugendarbeitsförderungsgesetz und die niedrigen Löhne der Angestellten. Sie richten sich auch nicht lediglich allgemein gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung. Die Spanier haben von der Arroganz ihrer Regierung die Nase voll, einer Regierung, die sich als dialogunfähig und kompromißlos erwiesen hat. Diese Botschaft ist offenbar angekommen: Auch Regierungssprecherin Rosa Conde erkannte am Wochenende, die Demonstranten verlangten mehr Dialog und Kommunikation.
Ob Felipe Gonzalez allerdings fähig ist, daraus Konsequenzen zu ziehen, ist fraglich. Vertraute des Regierungschefs unken schon seit Monaten, Gonzalez habe die Dauerkritik satt. Mit einigen kosmetischen Zugeständnissen kann er jetzt keine Ruhe mehr erreichen. Eine neue Offenheit ist angesagt, damit gesellschaftliche Debatten in Spanien wieder Platz finden. Der Lack an der Karosse des Fürsten Felipe Gonzalez ist jedenfalls ab.
Antje Vogel
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