: Mit Bart und ohne Biß
■ Was StudentInnn erlebten, die gestern werbend und mobilisierend durch Veranstaltungen zogen / Eine ganz zufällige Sammlung professoralen Verhaltens
Da stand der professorale Jeans-und Bartträger im Seminarraum vor seinen hufeisenförmig angeordneten StudentInnen und war zuerst kurz verblüfft, dann schnell verärgert und schließlich beleidigt: Die studentische „Mobilisierungs-Gruppe“ war einfach so, zwar mit Klopfen, aber „ohne Anmeldung!“, hereingeplatzt und rief dazu auf, sich um 14 Uhr vollzuversammeln, diese Veranstaltung jetzt vielleicht fallen zu lassen und sich doch mobilisierend anzuschließen. Der Professor Michael Stadler reagierte schon nach drei Sätzen schnip
pisch: „Dann breche ich das hier ab“, stellte so sorgsam wie schweigend seine Dias zurück in den dafür vorgesehenen Kasten und schob mit dem kleinen Dia-Wägelchen aus dem Raum. Der Titel seiner Psychologie-Veranstaltung heißt: „Denken, Wahrnehmen, Verarbeiten“.
„Leute, laßt uns erst zuletzt zu Produktionstechnik gehen, sonst holen wir uns gleich den Frust“, beschlossen die MobilistInnen. Der Halstuchträger und Behindertenpädagoge Prof. Siegfried Gessulat gab sich ruhiger und netter als sein Kollege - er hatte so
wieso gerade schließen wollen. Das Thema aufgreifen, nachfragen, sich einmischen, seine StudentInnen motivieren mochte er allerding auch nicht. Wie seine Veranstaltung eigentlich hieß, das mußte eine Studentin erst auf dem Stundenplan nachgucken.
Die zehn Studentinnen der Psychologin Eva-Maria Schepers wollten zwar ihre interessante Sitzung ('medizinisch -psychische Aspekte des Menstruationszyklus‘) nicht abbrechen, versprachen aber, mittags zur Vollversammlung zu kommen.
Mit Geo-Dreiecken auf den Ti
schen und allerlei Kurven an der Tafel hörten dann 12 männliche und eine weibliche angehende ProduktionstechnikerInnen aufmerksam dem Lehrbeauftragen Hoffmann zu. „Euch treffen die miesen Studienbedingunegn nicht so, bei Euch geht es um Solidarität“, warben die unerwarteten Gäste freundlich. Hoffmannn reagierte kurz und technisch-effektiv: „14 Uhr“, schrieb er an die Tafel und sagte trocken: „Die Diskussion kann man damit wohl beschränken.“ Von seinen StudentInnen kam keine mit.
Susanne Paa
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