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Drei Jahrgänge Menscheln hinter Glas

■ Seit gestern kann man in der Landesbildstelle Bremen 300 glasgerahmte Bremer Zeitgeschichte-Happen aus zwanzig Jahren begucken: Öffentlich-Menschliches für Liebhaber des Lokalpatriotischen

„Vielleicht die englische Königin“, sagt Herr Abel. „oder ist das zu banal?“

Die englische Königin ist definitiv nie zu banal, aber in knatschorange auf einem 78er Buntfoto. Das macht sich schlecht auf Tageszeitungspapier. Ich nehme lieber die 68er Schwarz-Weiß-Demonstration mit Bürgermeisterin. Eine Art Studie über Brillenmode vor 20 Jahren.

Der freundlich durchs Archiv blätternde Herr Abel ist Leiter der Abteilung Fotografie der Landesbildstelle Bremen. „Das Sachgebiet“, sagt Herr Rudolf Geisler (Leiter der Landesbildstelle) dazu stets während seiner kurzen und nach allen Seiten hin dankbaren Rede zur Ausstellungseröffnung: Er dankt dem Senator Franke, der sich extra gegen eine Demonstration durchsetzen mußte, um zur traditionellen Jahreswende-Rückblick-Ausstellung (diesmal: Foto -Rückblicke 1988-1978-1968) ein paar ebenfalls dankbare Worte fallen zu lassen. Er dankt dem Sachgebiet, das als „zentraler Fotoaufnahmedienst für Bremer Behörden“ mit drei FotografInnen 2000 Bilder

im Jahr für Bremen macht, von denen jetzt immerhin 300 Stück auf 70 Bildtafeln umsonst, wochentags von 9-17 Uhr und im Treppenhaus der Landesbildstelle zu begucken sind.

Ich mag so was. Kleine Happen Zeitgeschehen auf schwarzem Passepartout hinter Glasrahmen. 20 Jahre Bremer Öffentliches Leben als klitzkleine und darum so anrührende Ausstellung: die 78er Kinderweihnachtsfeier im Parlament neben dem 88er St.-Jürgen-Untersuchungsausschuß. „Da mußt Du gar keine Zeitung mehr lesen“, sagt die Dame neben mir dazu, „das Bild sagt alles.“

Was die Bilder sonst noch sagen, sagt Herr Franke (selbst offenbar leidenschaftlicher Fotograf - besonders von eigenen Enkelkindern): „Ihre Mitarbeiter sind ja keine Hoffotografen, sie zeichen sich immer durch eine besondere Perspektive auf Bremens öffentliche Ereignisse aus. Sie zeigen, was sich in solchen Situationen zwischen Menschen abspielt, auch zwischen Politikern.“

Und es menschelt tatsächlich, daß die Glasrahmen weihnacht

lich weich und besinnlich ins Treppenhaus glimmen: Senator Franke empfängt Schüler zur Preisverleihung des Europatag -Wettbewerbs ganz kindgerecht auf dem Teppichboden (1988), Koschnik (die Brille!) eine Delegation von Indianern im Rathaus (1978), eine junge Dame hält zur Übergabe der Marie -Luise-Wikens-Bronzestatue ein „Öfter mal so was für Bremen„-Schild vors pelzbesetzte Sixties-Kostüm (1968), der Bremer Schlachthof wird abgerissen (1978), Demos getätigt (1968), auch mit Langhaar, Schlabberhemd und Fahrrad fürs Watt (1978), Werder ist Meister (1988). Und Hille Darjes von der Shakespeare Company hat zur Einweihung des neuen Theaters am Leibnizplatz am 21.11.88 kurze Haare. Das wußte ich noch gar nicht. Steht ihr gut.

Außerdem: Bremer Baustellen. Der Seebaldsbrücker Bahnhof und unser Dobben (1988) und der Brill (1968). Und einen Rahmen weiter dann die Ergebnisse solchen Treibens: das Hochglanz-Carree und die vorbildlichen Origineller-Wohnen -Neubauten im Schnoor.

Die Andenken-Bilder können nicht nur beguckt, sondern auch für drei Mark käuflich erworben werden. Es gibt aber nur eine einzige Archivkraft. Allein mußte

die allein letztes Jahr 15.000 Reproduktionen verteilen. Also, strömen Sie bitte in überschaubaren Mengen.

Petra Höfer

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