: Vom Nachttisch geräumt: UNTER VIERZIG
Der König der Mehrfachverwerter - Siegfried Unseld vom Suhrkamp-Verlag - droht ernste Konkurrenz. Der Rowohlt -Verlag hat in seiner Panther-Reihe einen Band herausgebracht - „30 unter 40“ -, der früher als Rowohlt -Almanach kostenlos an die Buchhändler abgegeben worden wäre. 38 Texte von 30 Autoren, 27 davon Rowohlt-Autoren. Überwiegend Nachdrucke aus bereits vorliegenden Büchern. Vierzehn davon Auszüge aus Erzählungen oder Romanen. Ein Schwindelunternehmen.
Hat man sich damit abgefunden, Appetizer geliefert zu bekommen, gewinnt die Sammlung freilich einen erheblichen Reiz. Man muß bekanntlich ja nicht die Suppe auslöffeln, um zu merken, daß sie versalzen ist. Wer also am Buffet kosten möchte, um schnell herauszufinden, was ihm schmeckt und was nicht, der wird hier reich beschert. Ich bin der Herausgeberin dankbar, daß ich durch diesen Band Lisbet Hiide und Louise Erdrich kennengelernt habe. Erstere, eine 1956 geborene Norwegerin, ist mit der Erzäh lung „Maskerade“ vertreten, der Schilderung eines Festes, das in eine deprimierende Orgie umschlägt. Schrecklich symbolisch, aber so drastisch, daß ich das in Kauf nehme. Louise Erdrich, 1954 in den USA geboren, porträtiert in dem hier gebotenen Romanauszug ein junges verschlossenes Mädchen, das ihrer Tante und - darin liegt der Reiz der Geschichte - den Lesern ein Rätsel bleibt. David Leavitt ist auch vertreten. Ein schwules Paar zu Besuch bei der Mutter des jüngeren Mannes. Sehr gut beobachtet die politisch und sozial eifrig engagierte Mama und die Gestik der Freunde. Ein Vergnügen. Mir freilich oft etwas zu fein, zu zart. Aber natürlich um Lichtjahre besser als der von der Herausgeberin favorisierte Jean-Claude Charles, der mit sechs Texten vertreten ist. Ein Rätsel. Wer englisch liest, sei bei dieser Gelegenheit auf „20 under 30“ hingewiesen, herausgegeben von Debra Spark, 1986 bei Penguin erschienen. Eine Sammlung englischsprachiger Autoren und wohl das Vorbild der freilich international angelegten Rowohlt -Anthologie.
Alice Franck, 30 unter 40 - Junge Autoren von heute - Die besten von morgen, Rowohlt-Verlag, 365 Seiten, 12,80 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen