: Keiner will Münchhausen sehen
■ „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ von Terry Gilliam flopt und hat es auch nicht anders verdient
Das Kino war fast leer und nach Aussage der Kassiererin ist das in allen Vorstellungen ähnlich. Mit vierhundert Kopien ist der Film vor zwei Wochen in die Kinos gekommen; in Bremen in die zwei großen Massenabspielstätten, und in beiden war er schon nach einer Woche in die kleinen Säle gewandert: es riecht nach Pleite. Und die Verleiher müssen schon vorher so eine Ahnung gehabt haben, sonst hätten sie nicht so konzentriert geworben und noch einen zusätzlichen Hinweis auf die Plakate geklebt, der fast schon eine Beleidigung der Intelligenz des Publikums ist: „Dies ist ein neuer Film! Er hat nichts zu tun mit einem UFA Film über Baron Münchhausen aus dem Jahre 1942/43.“
Und das ist dann auch noch gelogen, denn Gilliams Film ist offensichtlich ein Remake des alten Films. Der Regisseur selber beruft sich auf den Vorreiter, und mehr als die Hälfte der gezeigten Abenteuer hat damals schon Hans Albers bestanden. Der war nun allerdings ein viel sympathischerer Lügenbaron als John Neville, der zwar genauso aussieht, wie sich alle den Münchhausen vorstellen, aber gerade deshalb als Filmfigur herzlich uninteressant bleibt. Das scheint Gilliam noch selber gemerkt zu haben, und deshalb hat er als Sympathieträger noch ein kleines Mädchen in den Film gepackt, daß dem Zuschauer immer mit großen Augen suggerieren soll, wie märchenhaft, poetisch und aufregend doch all das sei, was da so auf der Leinwand passiert.
Aber dort wird nur ein weiterer Beleg für die These geliefert, daß Special-Effects im Überfluß langweilen; und das, obwohl gerade Terry Gilliam in seinen früheren Filmen so witzig, übermütig und anarchistisch mit der Trickfilmkiste gespielt hat, daß er den Produzenten einen Weg aus der Sackgasse von Spaceoperas, Fantasykitsch und Kidpics zu weisen schien. Deswegen hat wohl auch der deutsche Produzent Thomas Schühly sein Geld auf Gilliam gesetzt. Aber alles, was an „Brasil“
oder „Timebandits“ Spaß machte, fehlt diesem Film.
Gilliam klotzt jetzt: jede Szene riecht nach Arbeit, man sieht förmlich die Strichliste, um die herum das Drehbuch geschrieben wurde: Ritt auf der Kanonenkugel: abgehakt; Münchhausen zieht sich am eigenen Schopf aus dem Wasser: erledigt; die Reise zum Mond - mit der Anmerkung unbedingt phantastischer als im alten Film: geschafft mit Müh und Not. Die Geschichte wird dabei so verworren erzählt, daß man bald nur noch darauf achtet, wie es ausieht, wenn beim Film viel Geld ausgegeben wird. Münchhausen wird im Laufe des Films mal jünger und mal älter und mal tot, aber man sieht es kaum vor lauter Monstern, Wundern , Knallereien. Das kleine Mädchen muß dann auch extra darauf hinweisen, der Grund bleibt verborgen, interessiert inzwischen aber auch keinen mehr.
Einige Male versucht der Monty Python Veteran Gilliam
deren absurden Humor einfließen zu lassen, aber das wirkt nur deplaziert und peinlich unkomisch. Man ist unangenehm berührt von diesem Film; es ist, als hätte Gilliam selbst schon sehr bald keine Lust mehr an ihm gehabt, und streng nach Vertrag die 40 Millionen Dollar Produktionskosten in den Sand gesetzt.
Der alte Münchhausenfilm kommt jetzt übrigens auch wieder in die Kinos, und da die Neuauflage wohl bald billig auf dem Grabbeltisch des Verleihers zu haben sein wird, kann man vielleicht schon in ein paar Monaten beide als Doublebill in der Spätvorstellung sehen. Da kann jeder selbst entscheiden, welche Fortschritte die Filmkunst in 35 Jahren gemacht hat.
Wilfried Hippen
Der neue Münchausen läuft im UFA, Sögestraße und im UT am Bahnhof - grade noch in kleinen Sälen
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