: „Eine kleine Kugel aus Wasser, Wolken und Land“
■ US-Mondfahrer Mitchells philosophisch-kritische Eindrücke von der Erde aus 400.000 Kilomentern Entfernung
Für Politiker ist der Weltraum etwas, dessen Eroberung zur Schaffung nationaler Helden benutzt werden kann. Für Militärs nimmt er immer stärker den Charakter eines futuristischen Schlachtfelds an. Raumfahrer kommen zu ganz anderen, geradezu entgegengesetzten Ansichten, wie der folgende Text zeigt, der aus der Feder des US-amerikanischen Mondfahrers Edgar D.Mitchell stammt. Mitchell, der im Februar 1971 mit Apollo 14 auf dem Erdtrabanten landete, ist Gründer des kalifornischen „Institute of Noetic Sciences“, das in Sausalito Grundlagenforschung über die geistigen Fähigkeiten des Menschen betreibt. Er ist darüber hinaus Gründungsmitglied der „Association of Space Explorers“, eines internationalen, globaler Einheit verpflichteten Raumfahrer-Verbands. Mitchells Institut hat dazu beigetragen, daß die „Association of Space Explorers“ vor zwei Monaten „The Home Planet“, ein Buch mit Fotos der Erde und Texten von Raumfahrern aus den USA, der Sowjetunion und einem Dutzend anderer Länder herausbringen konnte.
„Das erste, was mir durch den Kopf ging, als ich zur Erde hinabblickte, war ihre unglaubliche Schönheit. Kein noch so spektakuläres Foto kann dies vermitteln; es war ein majestätischer Anblick - ein wunderbares blaues und weißes Juwel, das vor einem samtschwarzen Himmel schwebte. Wie friedlich, wie harmonisch, wie vollendet schien es sich in die evolutionäre Struktur zu fügen, die das Universum trägt. Einen kurzen Moment lang drängte sich die Existenz einer göttlichen Hand förmlich auf, und ich war mir augenblicklich sicher, daß das Leben im Universum nicht durch einen willkürlichen Zufall entstanden war. Diese Erkenntnis kam mir unmittelbar.
Das Universum hatte eindeutig eine Bedeutung und Richtung. Man konnte es nicht mit den Sinnesorganen erfahren, aber es existierte dennoch - eine unsichtbare Dimension hinter der sichtbaren Schöpfung, die ihr ein intelligentes Design und dem Leben einen Zweck gibt. Ich dachte auch über den lebenserhaltenden Charakter unseres Planeten nach. Diese kleine Kugel aus Wasser, Wolken und Land schien nicht größer als mein Daumen, doch es war mein Zuhause, der Hafen, den unser Raumschiff am Ende unserer Reise aufsuchen würde. Buckminster Fullers Beschreibung des Planeten als „Raumschiff Erde“ schien mir außerordentlich passend. Meine Gedanken wendeten sich dem täglichen Leben auf der Erde zu, und mein Staunen wich einem eher schmerzlchen Gefühl der Qual. Denn in jenem Moment, in dem ich das Privileg genoß, die Erde aus 400.000 Kilometern Abstand zu betrachten, so machte ich mir klar, kämpften Menschen auf der Erde in Kriegen, begingen Morde und andere Verbrechen, logen, betrogen und kämpften um Macht und Status, mißbrauchten die Umwelt, indem sie Wasser und Luft vergifteten, vergeudeten die Rohstoffe und verwüsteten ganze Landstriche; sie verletzten andere durch Intoleranz, Fanatismus, Vorurteile und all jenes, was am Ende die Unmenschlichkeit des Menschen gegenüber anderen Menschen ausmacht. Es schien, als ob dem Mensch jegliches Bewußtsein seiner individuellen Rolle und Verantwortung für die Zukunft des Lebens auf diesem Planeten abginge.
Wie kann der Mensch, das intelligenteste Wesen auf der Erde, nur so unglaublich dumm und kurzsichtig sein, daß er seiner eigenen globalen Ausrottung so nahe kommt?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen