: „La Belle„-Verfahren in West-Berlin wortlos eingestellt
Berliner Staatsanwaltschaft stellte Verfahren um den Bombenanschlag auf die Diskothek „La Belle“ ein Haftbefehle gegen die beiden Verdächtigten aufgehoben / Anschlag war Anlaß für US-Angriff auf Libyen ■ Aus Berlin Till Meyer
Mit einem lapidaren Einzeiler hat jetzt die zuständige Staatsanwaltschaft am Landgericht Berlin die Ermittlungen wegen des Bombenanschlags auf die Diskothek „La Belle“ eingestellt (Aktenzeichen 1P Js 264/86). Den Anschlag vom 5.April 1986 hatten die USA zum Anlaß genommen, zehn Tage später einen Luftangriff auf die libyschen Städte Tripolis und Benghasi durchzuführen, bei dem über hundert Menschen starben. Damit stehen die Ermittlungen über den „La Belle„ -Anschlag, der in der Folge weltpolitische Brisanz erlangte, wieder auf Null.
Bereits einen Tag nach der Explosion in der hauptsächlich von schwarzen US-Soldaten besuchten Diskothek, bei der zwei Amerikaner und eine Türkin starben, erklärte US-Präsident Reagan, es gebe „unzweideutige Beweise, daß Libyen hinter dem Anschlag steht“. Als „unzweideutigen Beweis“ führte die US-Regierung der Weltöffentlichkeit seinerzeit zwei Funksprüche vor (in „naiver Geheimsprache“, so damals der Bundesnachrichtendienst), die zwischen der Libyschen Botschaft in Ost-Berlin und Tripolis vor dem Anschlag und danach ausgetauscht worden sein sollen. Während sich die Berliner Ermittler vor Ort mit Schuldzuweisungen noch zurückgehalten hatten, gab der US-Präsident bereits am 8.April die Weisung an das Pentagon, die „Operation El Dorado Canyon“, den Luftangriff auf Libyen am 15.April, auszuführen. Vier Tage nach dem amerikanischen Angriff präsentierte der Berliner Staatsschutz dann den angeblichen „La Belle„-Attentäter: den jordanischen Staatsbürger Ahmad Hasi. Dieser galt fortan nicht nur einem Großteil der Presse, sondern auch der Bundesregierung und der US -Regierung als der Schuldige.
Hasi bestritt allerdings von Anfang an entschieden, in den Bombenanschlag auf die Diskothek verwickelt zu sein. Statt dessen gab er zu, am 29.März 1986 zusammen mit einem Freund eine Bombe vor der Tür der „Deutsch-Arabischen Gesellschaft Berlin“ (DAGB) plaziert zu haben. Dafür wurde er im November des gleichen Jahres zu einer 14jährigen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht hielt es damals für erwiesen, daß Hasi den Anschlag auf die DAGB, bei dem es sieben Verletzte gab, im Auftrag des syrischen Geheimdienstes ausgeführt habe. Fortan hüllten sich die Ermittlungsbehörden in bezug auf „La Belle“ in Schweigen.
Am 12.Januar kam dann erneut Bewegung in den Komplex: Nach kurzer, aber spektakulärer öffentlicher Fahndung präsentierte die Polizei „Die Bombenfrau aus dem La Belle“. An ihrem Wohnort in Lübeck, wo sie ordnungsgemäß gemeldet war, nahmen die Fahnder die 33jährige Christiane Endrigkeit unter der Beschuldigung fest, sie habe im Auftrag Hasis die Bombe in die Diskothek „La Belle“ getragen.
Doch auch Christiane Endrigkeit bestritt wie Hasi, auch nur das geringste mit dem Bombenanschlag zu tun zu haben. Dennoch erging auch gegen sie Haftbefehl wegen Verdachts auf Mord und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Die zu jener Zeit stark drogenabhängige Frau mußte umgehend eine ursprünglich zur Bewährung ausgesetzte Haftstrafe wegen eines Drogendelikts antreten, die erst im April 1989 beendet sein wird. Zur jetzt bekanntgewordenen Einstellung des „La Belle„-Verfahrens erklärte Hasi-Verteidiger Christian Ströbele: „Der eigentliche Skandal liegt in der internationalen Dimension. Schließlich wurde unter Hinweis auf angebliche libysche Kontakte meines Mandanten der Überfall auf Libyen durch die US-Streitkräfte gerechtfertigt.“
In einer ersten Stellungnahme erklärte die Berliner Justizpressestelle: „Nach dem Ergebnis der Ermittlungen kann beiden Beschuldigten eine Tatbeteiligung nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden.“
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