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Belgrad ohne Regierung

■ Regierungschef Mikulic wirft das Handtuch / Parlament hatte seine IWF-Politik zur „Gesundung der Wirtschaft“ abgelehnt / Mikulic auch persönlich angegriffen

Berlin (ap/taz) - Am Freitag war es soweit: Nach langen und zermürbenden Debatten im jugoslawischen Parlament und in der Presse des Landes erklärte Ministerpräsident Branko Mikulic den Rücktritt seiner Regierung. Damit ist seit 1945 im sozialistischen Jugoslawien zum ersten Mal eine Regierung zurückgetreten, weil sie ihren politischen Kurs nicht mehr durchsetzen konnte.

Branko Mikolic begründete in seiner vom Fernsehen übertragenen Rede den Rücktritt damit, daß das Parlament dem Kabinett die Unterstützung bei der Bewältigung der wirtschaftlichen und politischen Probleme Jugoslawiens entzogen habe.Konkret ging es bei der Auseinandersetzung um die Erfüllung der Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Gesundung der Wirtschaft, wie sie von der Regierung vorgeschlagen worden war. Angesichts der Inflationsrate von über 250 Prozent und der Auslandsverschuldung von über 21 Milliarden US-Dollar sah sich die Regierung Mikulic gezwungen, eine einschneidende Sparpolitik vorzuschlagen. Unter anderem sollte nach dem Willen der Regierung eine Begrenzung des Lohnzuwachses auch im öffentlichen Dienst unter der Inflationsrate festgeschrieben werden. Der ohnehin schon niedrige Lebensstandard - der Durchschnittslohn liegt bei umgerechnet monatlich rund 150 Mark - wäre bei Annahme der Vorlage weiter abgesenkt worden.

Obwohl Mikulic darauf hingewiesen hat, daß ohne die Erfüllung der Auflagen des IWF mit keinen weiteren Krediten zu rechnen sei, blieb das Parlament bei der Ablehnung des Sparprogramms.

Der Rücktritt der Regierung war schon am Anfang der Woche erwartet worden, nachdem das Parteiblatt 'Borba‘ die Verantwortung für die Wirtschaftskrise der Regierung angelastet hatte. In der Zeitung 'Vecernje Novosti‘ war der Regierung sogar vorgeworfen worden, das „Land an den Rand einer Katastrophe geführt“ zu haben. Mikulic wurde in der Presse auch persönlich angegriffen, indem seine Frau im Zusammenhang mit dem illegalen Bau von Luxusvillen für Funktionäre genannt worden war.

er

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