: Nach dem Ende von Rizz
■ Jugendliche HörerInnnen und Jugendfunk-SenderInnen gleichermaßen heimatlos / Kontaktschwierigkeiten mit der 4. Welle, programmatisch und finanziell
Der Pop-Karton lebte acht Jahre, von 1977 bis 1984. RIZZ lebte vier Jahre, von 1985 bis 1988. Der endgültige Zerfall des Jugendfunks (der zu einer Oase der Hörerjugendlichen um die 30 geworden war), kündigte sich am 1. Sept. 1987 an, mit der Amputation von zwei auf eine Stunde Sendezeit. Seit Januar 1989 gibt es keinen Jugendfunk mehr in Radio Bremen, statt RIZZ werden einfach eine Stunde länger Goldies nach Sechs gesendet. „Wir sind mit der Fahne in der Hand untergegangen“ beschreibt der Otmar Willi Weber („OWI“), ehemaliger Moderator bei Rizz, die wehmütige Stimmung der Rizzler zum Schluß, die Techniker haben die Fahne vor dem Funkhauseingang wieder aufgehängt und beschriftet. „Wer ist der nächste?“ steht unter dem Sarg von Rizz.
RedakteurInnen und Freie von Rizz zerstreuen sich in alle Winde, vorerst innerhalb Radio Bremens, die jugendlichen RadiohörerInnen zerstreuen sich in alle Winde außerhalb Radio Bremens. Die HörerInnen unter 30 waren seit Entstehen des privaten ffn zunächst in Scharen zu diesem abgewandert. Nach einer Infratest-Unterschung (Sept. 88) hörten 1987 über 60 % der 14 - 29-Jährigen im Sendegebiet ffn, gegenüber 40 % RB ( 35 % hörten die Hansawelle, auf der Rizz gesendet wurde, 8,8 % hörten RB 4). 1988 gingen gerade die jungen HörerInnen wieder auf die Reise, nicht zu dem als Privatfunkkonkurrenz aufgebauten RB 4, sondern zu NDR 2.
Enthält das Vagabundieren der jugendlichen HörerInnen noch ein Element von Freiwilligkeit, so kann man das von dem der ProgrammmacherInnen nicht behaupten. Dem halben Dutzend freier MitarbeiterInnen, die Rizz moderiert haben, hätten Einkommenseinbußen von 2 bis 3000 Mark geblüht, wäre die Programmdirektorin mit ihren Kündigungen der 12a-Verträge duchgekommen. Die sind aber inzwischen zurückgenommen und sichern den Betroffenen für fünf Jahre jedenfalls 80% des im Vorjahr Verdienten.
Eigentlich zuständig für das Auffangen der heimatlosen jungen HörerInnen und auch für die SenderInnen wäre RB 4. Aber wie bei den HÖrerInnen gibt es auch bei den SenderInnen Kontaktschwierigkeiten in der vierten Dimension. Einerseits werden da die Arme weit aufgemacht für die Rizzler. Gerne würde man Beiträge von ihnen nehmen, nur: als ModeratorInnen will man sie leider nicht. Die Rizzler werden also Beiträge anbieten und sich ansonsten nach anderen Spielbeinen ihrer Existenz umsehen. Für die, die selbstständig moderiert ha
ben, sind die Kunzes und Dahlkes von RB 4, denen sie jetzt kleine Beiträge anbieten sollen unteres Mittelmaß in Sachen Wort, aber keine Autoritäten, die sie anerkennen würden. Im Hintergrund schwelt der Kampf um den Primat des (politischen) Wortes (Rizz) oder der Musik (RB 4), erdrückend verquickt allerdings damit, daß auf der 4. Welle die Arbeit der MitarbeiterInnen billiger eingekauft werden muß.
Radio Bremen 4, gestartet als das junge Radio seines Chefs Wolfgang Hagen, das dem verkarsteten Sender die Zöpfe ab
schneiden soll, ist ein bißchen in der Zwicke. Es leidet nicht nur unter dem Satz der zitierten Infrateststudie daß es, bezogen auf die Bevölkerung im Sendegebiet insgesamt „während des gesamten Tages unter der Nutzungsmarke von ein Prozent“ liegt. Obwohl darunter leidet man - da besonders einschaltqotenfixiert - auch besonders. Der erfolgreiche Kampf gegen die Verzopfung hat ist außerdem einigen jungdynamnischen Truppenmitgliedern in Gestalt von Dauermoderationen und verschärfter Selbstausbeutung auf die Stimmung geschlagen. Hinzu kommt mit der im Sommer eingeführten Playlist-also computergestützten Musikauswahl, daß nicht nur den Gestaltungsspielraum der SenderInnen drastisch eingeschränkt wurde, sondern auch ihre Honorare. Denn die Musikauswahl wird seitdem nicht mehr extra gezahlt. Drei Stunden Newsbox auf RB 4 kosten den Sender also nur ein moderates Moderatorenhonorar von 341 Mark, während Rizz -ModeratorInnen für Musikauswahl und Moderation in einer Stunde schon 680 Mark bekamen. Die RB-4-ModeratorInnen sind nach dem computergestützten Gehaltsschnitt erheblich begeisterungsgebremst, die Vermengung der notorischen Politikaster von Rizz mit diesem gärenden Sauerteig zu verhindern, muß Radio Wolfgang Hagen deshalb auch aus Finanzgründen am Herzen liegen.
Uta Stolle
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