: UNiMUT ruft bundesweit zum Kongreß
Der StudentInnen-Protest im Jahr 1989 startet mit einem bundesweiten UNiMUT-Kongreß vom 6. bis 9.Januar in Berlin / Es geht um Erfahrungsaustausch, Zwischenbilanz und Perspektiven / Hoffen auf TeilnehmerInnen aus dem europäischen Ausland ■ Aus Berlin Bert Hoffmann
Mit der Gemütlichkeit der Winterferien ist es für die in Bewegung gekommenen StudentInnen bald vorbei. Bereits am Freitag starten sie in die erste heiße Phase des neuen Streikjahres: Ein Kongreß namens UNiMUT soll vom 6. bis 9.Januar Tausende von StudentInnen aus Berlin und dem Bundesgebiet, aber auch aus anderen Ländern Europas, in den besetzten Berliner Unis zusammenbringen.
Pünktlich zur offiziellen Wiederaufnahme des Semesters am 9.Januar wollen die Studis mit dem viertägigen Treffen die Wiederaufnahme ihres Streiks und ihrer Protestaktionen lautstark einläuten. Bei dem bundesweiten UNiMUT-Kongreß geht es vor allem darum, ob aus den bisherigen mehr oder weniger großen Protesten, Streiks und Besetzungen an den verschiedenen Hochschulen tatsächlich das wird, wovon seit einigen Wochen gesprochen und geschrieben wird: eine neue Hochschulbewegung.
„Wir müssen einfach anfangen, über den Tellerrand unserer jeweiligen Uni hinauszusehen“, sagt ein Student, der schon seit Weihnachten aktiv in den Kongreßvorbereitungen steckt. „Und deshalb ist es für uns ganz wichtig, daß wirklich viele Studis aus der Bundesrepublik und aus dem Ausland zum Erfahrungsaustausch nach Berlin kommen.“
„Erfahrungsaustausch“ ist keineswegs eine hohle Phrase, denn in ihrem „heißen Winter“ haben die streikenden StudentInnen tatsächlich eine Menge neuer Erfahrungen gemacht. So zum Beispiel mit dem Funktionieren und den Problemen ihrer neugeschaffenen Strukturen: Vielerorts sind „Streik„- und „Besetzungsräte“ zu den zentralen Koordinations- und Entscheidungsgremien geworden und haben dabei der etablierten Vertretung, dem AStA, den Rang abgelaufen.
Oder auch mit den „Neuen Medien“, die die protestierenden StudentInnen für sich entdeckt haben. So hat den vorweihnachtlichen Berliner Uni-Streik das Experiment einer täglichen 'Video-Zeitung‘ begleitet, die den Studis mit viel Spaß die letzten News und schärfsten Bilder vom Vortag über die Bildschirme in den besetzten Instituten flimmert. Die Popularität der 'Video-Zeitung‘ ist enorm, und sie ist, übersetzt in verschiedene Sprachen, sogar schon zu einem Exportschlager geworden - selbst die Leningrader Filmfestspiele haben bereits um eine russische Fassung gebeten. Die „Mailbox„-Gruppe der FU konnte zudem mit Stolz verkünden, daß der StudentInnenprotest inzwischen Computer -vernetzt ist - auch für erfahrene Hochschul-Polit-Profis eine ganz neue Perspektive...
Über den Erfahrungsaustausch hinaus geht es den UNiMUTigen aber auch um eine erste Zwischenbilanz ihres Protests - und um seine Perspektiven: Wie und wohin soll/kann es weitergehen? Gemeinsam wollen die StudentInnen ihre Vorstellungen von einer neuen Universität und von selbstbestimmtem Studieren konkreter werden lassen. In zentralen Diskussionsveranstaltungen mit prominenten RednerInnen und in einer Vielzahl autonomer Seminare dreht sich der UNiMUT-Kongreß natürlich auch um das Verhältnis der Universität zur Gesellschaft, um kritische und feministische Wissenschaft und nicht zuletzt auch um die Suche nach Alternativen zur herrschenden „Fremdbestimmung“.
Obwohl der Berliner Wissenschaftssenator Turner (CDU) bereits sein „größtes Interesse“ bekundete, steht dennoch die Drohung aus dem FU-Präsidialamt im Raum, am 9.Januar besonders „heikle“ Praktika stattfinden zu lassen - notfalls unter Polizeischutz. Für diesen letzten Tag des UNiMUT -Kongresses ist denn auch ein Aktionstag geplant. Eine große Mobilisierung und phantasievolle Aktionen sollen den Auftakt geben zu einer starken StudentInnenbewegung '89.
Kontakte: UNiMUT-Kongreßbüro,
Telefon (030)8386488
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen