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Ermordet: Chico Mendes

„Wenn vom Himmel ein Gesandter auf die Erde herunterkäme und mir garantieren würde, daß mein Tod zur Verstärkung unseres Kampfes beitragen könnte, würde es sich vielleicht ja lohnen zu sterben. Aber die Erfahrung lehrt uns das Gegenteil. Leichenzüge werden den Amazonas-Urwald nicht retten. Ich will leben.“ Zwei Wochen nachdem der brasilianische Kautschukzapfer Chico Mendes einem Journalisten diese Worte ins Mikrophon sprach, zogen Tausende von Landarbeitern zu seinem Begräbnis nach Xapuri, einer kleinen Ortschaft im Bun desstaat Acre, im tiefsten Amazonien. Mendes wurde zwei Tage vor Heiligabend von bezahlten Killern erschossen. Es war der siebte Anschlag auf ihn.

Der 46jährige Kautschukzapfer, Präsident der örtlichen Landarbeitergewerkschaft und Mitglied der linken „Partei der Arbeiter“, wurde landesweit bekannt, als ihn die UNO mit einem Umweltschutzpreis auszeichnete. Chico Mendes führte eine Kampagne gegen die Abholzung des Urwalds, und sicher ist es auch ihm zu verdanken, daß die Weltbank einen Kredit in Höhe von 200 Millionen Dollar für den Bau einer Straße von Porto Velho nach Rio Branco suspendierte. Mendes hatte Waldläufer und Gummizapfer, Fischer und Flußhändler gegen das Projekt mobilisiert, das die Kolonisierung und die Zerstörung des Regenwaldes beschleunigt hätte. Im vergangenen September konnte Mendes einen weiteren Teilsieg erringen. Der Gouverneur von Acre, Flaviano Melo, erklärte das Zapfgebiet Cachoeira bei Xapuri zum Sammelreservat. Das heißt, es darf dort nicht abgeholzt werden, Viehzucht ist verboten, es werden weder Staudämme gebaut, noch dürfen Erze geschürft werden. Nur Sammelwirtschaft - das Ernten von Paranüssen oder das Zapfen von Kautschuk etwa - ist erlaubt.

Cachoeira ist zwar nur etwa tausend Hektar groß. Doch die Großgrundbesitzer fürchten, das Beispiel könne Schule machen, die Wälder könnten erhalten bleiben, und der Expansion der Zebu-Rindzucht könnten Schranken gesetzt werden. Am 9.Dezember gab Chico Mendes in Sao Paulo auf einer Pressekonferenz die Namen zweier örtlicher Großgrundbesitzer bekannt, die ihm nach dem Leben trachteten: die nach dem Mord nun abgetauchten Brüder Darly und Alvarinho Alves. Gegen beide besteht seit zwölf Jahren ein Haftbefehl wegen eines Doppelmordes, ohne daß sich die Behörden ernsthaft bemüht hätten, ihrer habhaft zu werden. „Wenn mein Tod zur Verstärkung unseres Kampfes beitragen könnte...“, hatte Chico Mendes erwogen. Zumindest hat der Mord die brasilianische Öffentlichkeit aufgerüttelt und ihr die Katastrophe vor Augen geführt, die sich in ihrem Land anbahnt und gegen die der Kautschukzapfer zu Felde zog.

Thomas Schmid

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