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Bonn läßt Libyen-Geschäft prüfen

Oberfinanzdirektion Freiburg prüft Vorwürfe gegen die Chemiefirma Imhausen / Beim Bundesamt für Wirtschaft liegt keine Exportgenehmigung vor / Bonn reagiert anläßlich von Presse-Veröffentlichung  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Wieder einmal setzte eine US-amerikanische Veröffentlichung deutsche Behörden in Trab: Bereits vor sechs Wochen wurde Kanzler Kohl in Washington über den Verdacht unterrichtet, eine deutsche Firma sei am Bau einer libyschen Chemiewaffen -Fabrik beteiligt - doch erst am vergangenen Freitag, als die Beamten im Bonner Wirtschaftsministerium Wind von einer geplanten Veröffentlichung durch die 'New York Times‘ bekamen, setzen sie die Freiburger Oberfinanzdirektion in Marsch, um bei der Lahrer Firma Imhausen Chemie die Bücher prüfen zu lassen. Seit wann der Name der verdächtigten Firma bereits bekannt war, erklärte die Bundesregierung gestern für vertraulich, ebenso die Erkenntnisse aus dem nachrichtendienstlichen Material, das die Regierung aus Washington erhielt. Die Informationen, die Kohl bereits am 15. November bekam, seien „im Detail sehr vage“ gewesen, sagte Regierungssprecher Schäfer; auch anschließend habe man sich vergeblich um Konkreteres bemüht. Dennoch befaßte sich das Kabinett am 20. Dezember mit dem „vagen Verdacht“: Auf dieser Sitzung ging es allerdings auch um die jüngste Nuklear-Export-Affäre, und nur über diese wurde die Öffentlichkeit anschließend unterrichtet. Bereits vor Kenntnis der geplanten New-York-Times-Veröffentlichung habe es aber „kurz vor Weihnachten“ verdeckte Ermittlungen durch die Zollfahnung gegeben, so bereicherte das Finanzministerium gestern die Kette der Ungereimtheiten. Dem Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn, zuständig für genehmigungspflichtige Ausfuhren, sei die Lahrer Firma nicht durch Genehmigungsanträge bekannt geworden, versicherte das Wirtschaftsministerium. Drei Prüfer der Ober... Fortsetzung auf Seite 2

finanzdirektion Freiburg sollen nun feststellen, ob eventuell ohne Genehmigung geliefert wurde, „soweit man das in den Büchern finden kann“. Erkenntnisse, die den US -Verdacht bestätigen ürden, lagen bisher nicht vor. Daß dem Eschborner Amt die Firma Imhausen nicht

bekannt ist, will nicht viel heißen: In der Ausfuhr-Behörde betreut der mit Nuklear-Exporten schon überforderte Abteilungsleiter Manfred Ruck „nebenbei die chemische Abrüstung“, wie er vor dem Bonner Atom-Ausschuß zum Erstaunen der Abgeordneten einmal berichtete. Darunter fällt zum Beispiel die Kontrolle militärisch verwendbarer chemischer Vorprodukte. Der Chef der Lahrer Firma, Jürgen Hippenstiel-Imhausen, wies gestern noch einmal alle Vorwürfe von sich: Sein Unternehmen verfüge gar nicht über das Know -How zur Chemiewaffen-Herstellung. Allerdings habe er sich um einen Vertrag zur Herstellung von Plastiktüten in Libyen beworben. Eine kleine Klitsche ist die Imhausen Chemie nicht: Mit einem Stammkapital von 6,5 Millionen Mark unterhält das Unternehmen neben zwei Werken in Lahr und einem weiteren im Ruhrgebiet Niederlassungen in Vaduz, Zürich und Hongkong. Den in der 'New York

Times‘ zitierten US-Regierungsangaben zufolge soll das Material für den Bau des Werkes über Hongkong oder Singapur geliefert und unter Beteiligung schweizer Banken finanziert worden sein.

Libyen hat den Vorwurf der Giftgasproduktion gegenüber der UNO und dem Auswärtigen Amt dementiert - der Verdacht, Ghadafi entwickle C-Waffen, wurde früher aber auch von dem anerkannten britischen C-Waffen-Experten Robinson bestätigt. Verbale Angriffe gegen Libyen standen in den zurückliegenden Monaten seitens der USA allerdings im Kontext der US -Weigerung, in Genf ein weltweites Abkommen zum C-Waffen -Verbot zu unterschreiben und hilfweise auf alle möglichen angeblichen Produktionsstätten zu verweisen. Zu einem möglichen militärischen Angriff auf Libyen, der Präsident Reagan zufolge mit anderen Nato-Ländern erörtert wurde, sagte das Auswärtige Amt gestern: „Wir wurden nicht konsultiert.“

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