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„Es ist gut, ohne Patron zu arbeiten“

Die „Werkstatt Tonio Pflaum“ im nicaraguanischen Masaya ist ein gut funktionierendes Ausbildungsprojekt, das aus der Bundesrepublik unterstützt wird / Die Genossenschafter der jüngsten Kooperative Nicaraguas sind 17 bis 18 Jahre alt  ■  Aus Masaya Ute Scheub

„Also gut, beschlossene Sache: am Sonntag machen wir ein Rojo-y-Negro. Der Zaun muß erneuert und das ganze Gelände gereinigt werden.“ Fein säuberlich notieren Dora Maria, Roger und Werner das Übereinkommen in ihr Notizbuch. Rojo-y -Negro, benannt nach den rot-schwarzen Farben der sandinistischen Fahne - das ist in Nicaragua das gleiche wie in der Sowjetunion und in manchen besetzten Häusern hierzulande der Subbotnik, der unbezahlte Arbeitseinsatz in der Freizeit.

An einem überdachten dunklen Holztisch im Freien, zwischen Papageiengekrächz und Papayastauden, tagt der „Zentralrat“ eines bundesdeutsch-nicaraguanischen Solidaritätsprojektes, das eine Ausbildungssstätte für Schreiner, eine für KFZ -Mechaniker sowie eine kleine Möbelfabrik auf einem verkrauteten Gelände vereint. Übrigens die jüngste Genossenschaft Nicaraguas: Ihre Mitglieder sind gerade mal 17 und 18 Jahre alt. So wie Roger, der als Delegierter und „Stellvertretender Koordinator“ der Kooperative mit schlaksigen Gliedern am Tisch sitzt. Seinem hübschen dunklen Gesicht sieht man an, daß er directamente aus Monimbo stammt, dem indianischen Viertel der 80.000-Seelen-Stadt Masaya, 30 Kilometer südlich der Hauptstadt Managua. Während der Aufstände gegen Somoza 1978/79 wurde Monimbo wiederholt aus der Luft bombardiert. Somozas Militär, so erzählt man hier, getraute sich nie, den Stadtteil zu betreten. Denn seine BewohnerInnen wandelten ihr traditionsreiches Kunsthandwerk ab, um noch aus der letzten Blechdose Brandbomben zu bauen.

Auch der zweite am überdachten Tisch, Werner Schlienz, 42 Jahre alt und aus der Bundesrepublik, wohnt in Monimbo. Eigentlich hatte er mit seiner damaligen Freundin mal die Welt umrunden wollen, doch dann blieb er 1980, kurz nach der Revolution, in Nicaragua hängen. Werner, von Beruf „Sozialklempner“, wie er grienend betont, lebt mit Hund und Katzen und Hahn und Papageien und im Patio aufgespannter Hängematte fast schon wie ein Einheimischer im Viertel. Schlendert er durch die quirligen Straßen, kommt ihm von überall her ein „Hola“ und „Que tal? - Wie geht's?“ entgegen. Er ist im besten Sinne sozial integriert.

Und wird doch immer, wie alle Internationalisten, der „Chele“, der Blonde, bleiben. Der aus der anderen Welt. Der von dort, wo das Geld nie ausgeht. Im Projekt reden sie ihn mit „jefe“, Chef, an. Dabei ist er das gar nicht. Er unterrichtet die Jugendlichen in „Genossenschaftskunde“ und ist der Ansprechpartner für die deutschen Projektfinanciers.

Zwei schon jahrelang arbeitende Solidaritätsgruppen sind es, die die Summen in Masaya anlanden: Der in der Selbstverwaltungsszene beheimatete „Verein Ortiz“ aus Mannheim, der die KFZ-Werkstatt „Luis Francisco Ambota Ortiz“ betreut, benannt nach einem aus Monimbo stammenden sandinistischen Soldaten, der im Kampf gegen die Contra gefallen ist. Und der aus der dortigen DGB-Ortsgruppe heraus gegründete „Verein Monimbo“ in Dietzenbach bei Frankfurt, der sich für die Schreinerwerkstatt und die Möbelfabrik „Tonio Pflaum“ verantwortlich fühlt - der Freiburger Arzt Tonio Pflaum war kurz vor der Eröffnung des Projektes im Sommer 1983 ebenfalls von der Contra ermordet worden. Beide Gruppen zusammen haben bislang rund 350.000 Mark herangeschafft. 300.000 Mark schlugen für die Gebäude, die technische Ausrüstung und Infrastruktur zu Buche, die eigentlichen Ausbildungskosten für einen Jugendlichen erscheinen hingegen mit monatlich rund 20 Dollar lächerlich gering, „dank“ der für alle Beteiligten niedrigen Löhne . Allein 90.000 Mark aus der Gesamtsumme stammen übrigens aus dem Stadtsäckel des von einer rot-grünen Mehrheit plus DKP regierten Städtchens Dietzenbach, das sich seine Städtepartnerschaft mit Masaya immerhin rund zwei Mark pro Bürger kosten läßt. Trotz insgesamt guter Zusammenarbeit, berichtet Werner, gibt es ab und zu kleinere Spannungen mit den Projektträgern. „Wir haben es uns am Anfang zu einfach vorgestellt: zwei Jahre Ausbildung, und, schwupp, sollen die Jugendlichen die Werkstatt als Kooperative weiterführen. Aber die neun von der Autowerkstatt, die vom ersten 1985 begonnenen Ausbildungsjahrgang hiergeblieben sind, wollen noch keine Genossenschaft gründen. Sie sagen, es gebe zu viel Fluktation, sie bräuchten noch eine starke Hand. Und unsere sieben ausgebildeten Schreinergesellen und -gesellinnen haben zwar vor anderthalb Jahren ihre Möbel -Kooperative gegründet, aber es war ein Irrtum anzunehmen, sie könnten sie auch gleich perfekt kaufmännisch leiten. Das tun sie inzwischen vielleicht zu 40 Prozent. Daß die Solidaritäts-Vereine nicht begeistert sind, wenn wir die Ausbildungskapazitäten jetzt noch erweitern wollen und sie noch mehr Geld anschleppen sollen, kann ich ja verstehen aber wir hier sehen den Bedarf und müssen täglich Ausbildungswillige abweisen. Es gibt in Nicaragua keine Berufsfachschulen. Plätze, an denen Jugendliche theoretischen Unterricht in Fachzeichnen und -rechnen erhalten und nicht nur nachbauen, was der Meister zusammenpäppt, sind rar.“

Und die hier arbeiten, sind sie zufrieden? Rafael, 17 Jahre alt, sitzt vor einem Stapel Papier im Büro der Möbelfabrik und lächelt bei der Frage. Vor ihm, in der einst von einer internationalen Brigade gezimmerten und jetzt nach frischem Sägemehl duftenden Halle, dudelt Radiomusik, der der kreischenden Kreissäge einen eigenwilligen Rhythmus aufsetzt. „Ja“, sagt Rafael, Koordinator der Genossenschaft, „das alles ist für uns schon ziemlich schwierig. Viele Aufgaben verteilen sich auf wenige.“ Obendrein gehe die Mehrheit der jugendlichen GenossenschafterInnen noch in die Schule, in die Sekundarstufe, die nach Feierabend um 18 Uhr beginnt. „Aber mir gefällt das im allgemeinen sehr gut, so viel Verantwortung zu haben. Es ist gut, ohne Patron zu arbeiten. Alle zwei Wochen haben wir Versammlung, um die Aufgaben zu verteilen. Da gibt's viele Diskussionen. Aber wir kommen immer zum Konsens. Und was willst du sonst noch wissen?“

Das Projekt braucht weitere 300.000 Mark für die Erweiterung der Ausbildungsmöglichkeiten, hier also die Spendenkonten: Verein Monimbo, BfG Dietzenbach, Konto 1762 900900, BLZ 505 101 11. Oder: Verein Ortiz, Postgiro Ludwigshafen, Konto-Nr. 1500 46-679. Die Leute von Monimbo freuen sich auch über Briefe und Besuche. Postadresse: Centro de Capacitacion y Produccion Monimbo, Apartado Postal 120, Masaya, Nicaragua.

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