: Zwangsgeld angedroht
■ 200 bis 500 Mark Zwangsgeld soll ein Bremer zahlen - wenn er nicht den 14seitigen Fragebogen zum „Mikrozensus“ ausfüllt
Was er denn netto verdient, wie lange er vielleicht arbeitslos war, ob er Kindergarten oder Hochschule besucht hat - das alles möchte Rüdiger W. am liebsten für sich behalten - ebenso wie Angaben über sein Alter, die Sozialversicherung und seinen Weg zur Arbeit. Darf er aber nicht. Rüdiger W. gehört zu dem per repräsentativer Zufallsauswahl auserwählten einen Prozent bremischer Bevölkerung (also rund 7.000 Menschen), das im Rahmen des „Mikrozensus“ ausgefragt und auskunftsverpflichtet wurde. Ihm stehen jetzt saftige Strafen ins Haus. Wenn er nicht „wahrheitsgemäß und vollständig“ seinen Frage-Bogen zum Stichtag 20.4.88 an das Statistische Landesamt (StaLa) Bremen schickt, so bekam er's gestern schriftlich, dann muß er 200 Mark Zwangsgeld berappen- und eine Woche später 500, falls er immer noch säumig ist, außerdem 25 Mark Verwaltungsgebühr für den Bescheid. Rüdiger W. befürchtet, daß allzuleicht Datensätze zwischen Polizei, Statistikern, Nachrichtendiensten, Sozialbehörde oder Stadtwerken zusammengeführt werden können: „Ich habe überhaupt nichts zu verbergen - aber diese Ausfragerei sollte man prinzipiell begrenzen; konkrete
Personen sind aus wenigen Angaben schnell zu identifizieren“, erklärte er gestern gegenüber der taz.
Als „schlicht 'ne Schweinerei“ und „senatorische Doppelzüngigkeit“ bezeichnete der grüne Abgeordnete Martin Thomas die Zwangsgeld-Festsetzung: „Wo es um tausende von Wählerstimmen geht, bei der Volkszählung, fährt der Inennsenator die sogenannte liberale Bremer Linie, aber bei der kleinen Umfrage, wo viel eher Freiwilligkeit praktiziert werden könnte, geht es klammheimlich so repressiv zu.“
38 mal wurden für den 88er Mikrozensus bereits Auskünfte mit Zwangsgeldern „beigetrieben“, informierte Jürgen Dinse vom StaLa: „Weil nur 1 Prozent der Bevölkerung befragt wird, hat jeder einzelne hundertfache Bedeutung- da kann man von der repräsentativen Auswahl nach Straßenzügen nicht abweichen, ohne die statistischen Ergebnisse massiv zu verfälschen.“ Auch die Pressesprecherin der Innenbehörde faßte zusammen: „Wir brauchen jedes einzelne Ergebnis, sie sind statistisch nötiger als bei der Volkszählung - man muß das den Leuten zumuten.“ Rüdiger W. findet das eine Zumutung. Er wird Widerspruch einlegen.
S.P.
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