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Thatcher: Ölaktien nichts für Araber

Weil BP-Aktien höhere strategische Bedeutung genießen als Schokoladenriegel, drängte die Londoner Regierung das Emirat Kuwait in dem britischen Ölkonzern zurück / Abstriche am Privatisierungskonzept  ■  Aus London Rolf Paasch

„Ende gut, alles gut“, so können sich die distinguierten Anlageexperten der staatlichen Kuwait Investment Office (KIO) in London in diesen Tagen zur Reduktion ihres Anteils an der Ölgesellschaft „British Petroleum“ (BP) von 21,6 Prozent auf 9,9 Prozent gratulieren. Die von der Regierung Thatcher erzwungene Halbierung des kuwaitiischen BP-Anteils brachte den Anlegern aus dem Nahen Osten jetzt einen Reingewinn von 126 Millionen Pfund (rund 406 Mio. DM) ein. Auch die Regierung Thatcher dürfte froh sein, daß die peinliche BP-Affäre, die im vergangenen Herbst zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Kuwait City und London geführt hatte, nun endlich bereinigt ist. Im Oktober 1988 hatten die Kuwaitis nämlich noch vor Wut geschnaubt, als sie einsehen mußten, wie naiv sie Frau Thatchers Philosophie des freien Marktes aufgesessen waren.

Der Markt für Beteiligungen an britischen Unternehmen, so hatten die Anlageexperten des Ölscheichtums schmerzlich erfahren müssen, ist für die Londoner Regierung immer nur so frei, wie es ihr gerade in den Kram paßt. Da hatten sich die soliden Schweizer im Juni an der begehrten Rowntree -Schokolade beinahe überfressen dürfen, da sind die disziplinierten Japaner im Industrie- und Bankensektor nach wie vor gerngesehene Investitionsgäste. Nur die Araber - als Käufer britischer Tornado-Kampfflugzeuge hochwillkommen durften ihre Anteile an britischen Unternehmen nicht übertreiben, sonst schadeten diese kartellerprobten, in „Cash“ und Öl schwimmenden Scheichs am Ende noch dem nationalen Interesse Großbritanniens.

Der Schokoladenindustrie, so verteidigte der britische Industrieminister Lord Young damals die Unterschiede in der Behandlung von Schweizer Riegelräubern und kuwaitischen Ölaktionären, komme eben keine „strategische Bedeutung“ zu. Dem Öl, das den Briten dagegen einen erheblichen Anteil ihres Bruttosozialproduktes einbringt, dagegen schon. Da hätte selbst Churchill Frau Thatchers geadeltem Industrieminister recht gegeben. Kein Geringerer war es nämlich gewesen, der mit dem gleichen Argument weiland die Verstaatlichung der Anglo-Iranian Oil Company eingeleitet hatte, damit der königlichen Marine nie der Dieseltreibstoff ausgehe.

Nur war es ausgerechnet die Regierung Thatcher gewesen, die in den 80er Jahren solche strategischen Kalküle des Staates auf dem Altar des freien Wettbewerbs geopfert hatte. Auf dem bisherigen Höhepunkt ihres Privatisierungsrausches ließ sie vor im Oktober 1987 auch noch das letzte Drittel des staatlichen BP-Besitzes an private Anleger verkaufen. Als die Privatisierung des drittgrößten Ölkonzerns der Welt nach dem Oktober-Crash allerdings eine Riesenpleite zu werden drohte, als die Underwriter in der Londoner City der konservativen Regierung bereits den Rückkauf der auf den „Bärenmarkt“ (sinkende Wertpapierpreise) geworfenen Aktien anriet, da waren die muselmanischen Anleger von der Kuwait Investment Office plötzlich als rettende Engel am getrübten Himmel des britischen Volkskapitalismus erschienen. Zwischen dem 30. Oktober und Ende November 1987 erstand die KIO über zehn Prozent der BP-Aktien. British Petroleum protestierte ein wenig, der Regierung Thatcher aber fiel ein Stein vom Herzen.

Erst als die Kuwaitis zum Jahresende bereits 17 Prozent der BP-Aktien ihr eigen nannten, wiesen britische Minister die BP-Aktionäre am Golf vorsichtig darauf hin, daß ihre unverminderte Anlagefreude eventuelle zu Komplikationen führen könnte. Mittlerweile war der Anteil der KIO auf 21,9 Prozent angeschwollen. So kam die von Industrieminister Lord Young eingeleitete Überprüfung des kuwaitischen Aktienpaketes durch die Monopolies and Merger Commission für die Experten der KIO nicht überraschend, wohl aber deren hartes Urteil. Selbst eine Auflage zur Stützung des Aktienpaketes auf 20 Prozent, ja vielleicht gar 15 Prozent hätte man in Kuwait City ja noch verstanden, nicht aber die von der Kartellbehörde im Oktober 1988 geforderte drastische Reduzierung des BP-Anteils auf zehn Prozent binnen eines Jahres. Bei dem damaligen Kurs der BP-Aktie von 230 Pence drohte das britische Ölabenteuer den Kuwaitis einen Verlust von 350 Millionen Pfund einzubringen.

Statt sofort zu verkaufen spielten die versierten Investment-Experten der KIO auf Zeit. Auf der einen Seite konnten sie damit drohen, ihre Investitionen im Vereinigten Königreich von insgesamt 15 Milliarden Pfund (ca. 48 Mrd. DM) neu zu überdenken; auf der anderen Seite wollten sie auf die äußerst vorteilhaften Bedingungen, die ihnen der Handelsplatz London bietet, nicht so ohne weiteres verzichten. Denn nirgendwo sonst gibt es so offene und liquide Aktienmärkte wie in der britischen Finanzmetropole; und nirgendwo sonst können die Kuwaitis kurzfristig Unternehmensanteile von bis zu fünf Prozent erstehen und schnell wieder verkaufen, ohne diese Transaktionen publik machen zu müssen. Das Ergebnis dieses monatelangen Ringens zwischen KIO, BP und der Regierung Thatcher um eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung ist nun der Rückkauf der 790 Millionen KIO-Aktien durch BP zu 247 Pence pro Aktie.

Was die restlichen BP-Aktionäre allerdings weniger erfreuen dürfte, ist die Tatsache, daß der Ölkonzern für den Rückkauf der eigenen Aktien nun auch noch eine im voraus zu entrichtende Unternehmenssteuer von 58 Pence pro Aktie zahlen muß, die anschließend den Kuwaitis in Form von Steuererleichterungen zukommen werden, so daß deren Verkaufsprämie am Ende 20 Prozent über dem gegenwärtigen Marktpreis des Aktienpaketes liegen wird. Finanziert wird dieser Gewinn der KIO von den übrigen BP-Aktionären, deren Dividende durch den Ausstieg der Kuwaitis und den kostspieligen Rückkauf arg in Mitleidenschaft gezogen werden dürfte. Wieder einmal bezahlt hier der private Kleinaktionär die Widersprüche und politischen Pannen des Thatcherschen Volkskapitalismus.

Opec-Nicht-Opec-Treffen

Wien (afp) - Vertreter der Organisation Erdölexportierender Staaten (Opec) und unabhängige Erdölerzeugerländer wollen sich am 26.Januar in London treffen, um über eine mögliche „zukünftige Kooperation“ beider Staatengruppen zu sprechen, erklärte ein Sprecher des Opec-Sekretariats am Mittwoch am Sitz der Organisation in Wien.

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