: „Ohne Wally gibt's Krawally“
■ Wut und zwei nächtliche Demonstrationen in der Bremerhavener Innenstadt um den Jugendtreffpunkt „Wally“ / Szenelokal soll zum Supermarkt saniert werden
Mörtelfrische Mauersteine in Türen und Fenstern sollten am Freitag das Ende der Bremerhavener Szenekneipe „Wally“ in der Straße 'Alter Bürger‘ besiegeln. Aber die enttäuschten Jugendlichen mochten einfach nicht einsehen, daß ihr inzwischen legendärer Treffpunkt saniert und danach zum Supermarkt werden sollte. Im 'Wally‘, da konnte man sich treffen ohne für viel Geld konsumieren zu müssen.
Nicht lange standen am Freitag abend zuerst wenige, schließlich rund 80 junge Leute vor den zugemauerten Türen und Fenstern. Einige fingen an, andere halfen, und in kurzer Zeit stürzten die Steine zu Boden und die Wally-FreundInnen in „ihr“ verlassenes Lokal. Die Polizei kam, riegelte mit Blaulicht-Fahrzeugen die 'Alte Bürger‘ ab, leitete den Verkehr um und versuchte, die paar
Spielautomaten vor Plünderung zu bewahren. „Die Wally war immer das Herz der 'Alten Bürger‘, da waren unglaublich viele Leute drin“, erzählte einer der Besucher der taz. „Aus polizeilicher Sicht gab es außer den Spielautomaten keinen weiteren Grund, tätig zu werden“, erklärte ein Polizeisprecher der taz.
Aber am Samstag. Zur „Demo um 23 Uhr“ hatten Flugblätter aufgerufen, die schnell gegen die Wally-Schließung in Bremerhaven verteilt worden waren. Wie sonst an lauen Sommerabenden fanden sich am Samstag abend hunderte von DemonstrantInnen ein, füllten die Gehwege und schließlich die Straße. Inzwischen hatte die Sanierungsfirma auf Stahlplatten gesetzt und die Gebäudeeingänge zuschweißen lassen. „Ohne Wally gibts Krawally“ stand auf einem großen
Transparent über den stählernen Tatsachen. In der Straße brannten Fackeln und Wunderkerzen, Silvesterböller krachten. Mit einem ewas schwachbrüstigen Megaphon versuchte ein Sprecher, über den schlechten Tausch - mehr Supermarkt gegen verlorenen Jugendtreff - zu informieren, erreichte aber nur die vorderen Reihen der inzwischen rund 1.000 Leute, die so hilflos wie empört im Regen standen. Als die Polizei wie am Vorabend die Straße sperrte und auf ihre Art für Ruhe sorgen wollte, gab es dann Krawally für Wally. Bis ein Uhr morgens ging es in der Straße hin und her, drängten und drohten behelmte Ordnungshüter, flogen Eier und Flaschen der kneipenlosen DemonstrantInnen. Ein Protestler wurde festgenommen, befindet sich aber wieder auf freien Füßen. S.P
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen