: Alliierte Stadtkommandanten als Wahlkampfhelfer
■ Rechtzeitig vor den Wahlen kommt Bewegung in die Revision alliierten Rechts / Die versprochene Entrümpelung fehlte noch in Diepgens Erfolgsbilanz / Beschwerdestelle und leiseres Schießen ändern nichts an Besatzungsrecht
Der zeitweise Waffenstillstand auf der „Rose Range“ wurde von einer PR-geschulten Nation gut getimed angekündigt. Drei Wochen vor der Wahl erklärten die Amerikaner, daß auf dem Schießplatz in Zehlendorf sonntags nach 13.00 Uhr weder deutsche noch amerikanische Schützen weiterhin lautstark auf Tontauben schießen werden.
Meldungen wie diese häufen sich in letzter Zeit. Dabei geht es um weit mehr als um tönerne Tauben. Die Ende vergangener Woche verkündete alliierte Leisetreterei ist nur das bisher letzte Zugeständnis einer ganzen Reihe von Konzessionen, die die Alliierten in letzter Zeit plötzlich zu machen bereit sind. An Zufall vermag dabei nicht recht zu glauben, wer sich erinnert, daß Eberhard Diepgen (CDU) auf dem Gebiet der Entrümpelung alliierter Rechtsvorschriften noch einige Versprechungen einzulösen hat.
Proteste und Kritik daran, daß in Berlin über den Umweg alliierter Bestimmungen vieles möglich ist, was anderswo nicht rechtens wäre, kommen längst nicht mehr nur aus alternativen Kreisen. Wie Umfragen darlegten, findet inzwischen ein großer Teil der Stadtstaatbevölkerung vieles am Besatzungsstatus obsolet bis undemokratisch.
Vor vier Jahren hatte Eberhard Diepgen zum ersten Mal die sich ausbreitende Kritik an undemokratischer Anwendung des Besatzungsrechts geschickt aufgegriffen und enttabuisiert. Sein Ausspruch, nicht jede Bestimmung, „die in der Nachkriegszeit vielleicht ihre Berechtigung hatte, hat sie auch heute noch“, brach ein Tabu. Ähnliches aus dem Munde beispielsweise der AL hatte kurz vorher noch dazu geführt, die Alternativen außerhalb der „Solidarität der Demokraten“ anzusiedeln. Auch die SPD, gedrängt von ihren Experten der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ) traute sich dann schließlich 1985, die Überarbeitung alliierten Rechts zu fordern. Die schwelende Unzufriedenheit brachte die Regierungskoalition zunächst dazu, Versprechungen abzugeben, die jetzt als Erfolge präsentiert werden.
Mitte vergangener Woche war schon überraschend bekanntgeworden, die Alliierten seien „bereit“, über eine veränderte Praxis der Kontrolle der Telefonüberwachung nachzudenken. Justizsenator Rehlinger (CDU) wußte davon bereits seit November letzten Jahres. Er hielt es für sinnvoller, im Wahlmonat Januar daraus wahlkampfpolitischen Profit zu schlagen.
Im Sommer letzten Jahres wurde plötzlich eine Alliierte Beschwerdestelle eingerichtet, die zwei Jahre lang von einer von Diepgen eingerichteten deutsch-alliierten Arbeitsgruppe ausgebrütet worden war. Kurz darauf gab Senator Rehlinger den Alliierten einen Tip, wie man eine andere vielkritisierte leidige alliierte Bestimmung elegant aus der Berliner Welt schaffen könne: Um die 1946 eingeführte Todesstrafe für Berlin wieder außer Kraft zu setzen, reiche eine gemeinsame Erklärung der drei Westalliierten, klärte er die Schutzmächte auf.
Wie klein die alliierten Gnadenschritte sind, geht bei den täglichen Erfolgsmeldungen dabei unter. Immer noch ist die Klage der BI gegen den Gatower Schießplatz vor dem Europäischen Gerichtshof nicht entschieden; wer sich an die Beschwerdestelle wendet, hat keinen Rechtsanspruch, und Lauschangriffe von Polizei und Verfassungsschutz unter alliierter Aufsicht sind weiterhin möglich.
RiHe
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