Hippokrates im Soll

■ Ärzte des Virchow-Klinikums sollen nicht-krankenversicherte Ausländer abweisen / Angeblich zu hohe Kosten / Personalrat und Ärztekammer empört / In Notfällen wird behandelt

Empörung hat ein Schreiben der Krankenhausleitung vom Universitätsklinikum Rudolf Virchow beim Personalrat sowie der Ärztekammer ausgelöst. In dem Schreiben werden die Ärztliche Aufnahme sowie alle Erste-Hilfestellen und Stationen im Wedding angehalten, „noch strenger als bisher zu prüfen“, ob eine stationäre Behandlung von „nicht krankenversicherten Ausländern“, für die „auch der Sozialhilfeträger nicht einspringen kann“, notwendig sei.

Der zuständige Mitarbeiter für die Kostensicherung Sachs betonte auf taz-Anfrage, daß es sich hier nicht um Asylbewerber handele, da diese während ihres Asylverfahrens bei der AOK versichert seien. Es gehe vielmehr um Touristen, „die mit einer Krankheit nach Berlin kommen, um sich hier behandeln zu lassen“. So gebe es zum Beispiel Eltern von türkischen Arbeitsmigranten, deren Kinder ihnen „teilweise aus Unkenntnis“ raten würden, sich in Berlin operieren zu lassen. Solche Fälle hätte es in letzter Zeit „gehäuft“ gegeben. In dem Schreiben ist sogar von „nicht mehr tragbaren Verlusten“ die Rede. Genaue Angaben konnte Sachs nicht machen. Er sagt, daß es vor allem bei der Ärztlichen Aufnahme Ärzte gebe, die „die finanzielle Seite der medizinischen Behandlungen nicht ganz einsehen“.

Der Personalrat sieht in dem Schreiben jedoch eine Maßregelung der Ärzte. „Was interessieren mich die Kosten, entscheidend ist doch der Patient“, sagt ein Mitglied des Personalrats. Auch der Präsident der Ärztekammer, Huber, ist der Ansicht, daß „wirtschaftliche Aspekte nicht humanitären Zielen“ vorgeschoben werden können. Hier werde der Versuch unternommen, mit wirtschaftlichen Argumenten die ärztliche Moral zu untergraben. Das beweise, daß das Virchow -Krankenhaus „nicht der Anwalt für die Menschen“ sei, sondern für eine „Verwaltung, die nach arbeitsminimierenden Gesichtspunkten“ verfahre. Im übrigen sei der umrissene Personenkreis so klein, daß es gar keine Probleme geben könne. „Es muß doch gehen, eine humanitäre Stiftung für die Kostenübernahme zu finden.“ Die Bundesrepublik hat Versicherungsabkommen mit allen Ländern der EG sowie Österreich, Jugoslawien, Tunesien, Rumänien, der Türkei, Schweden und Finnland abgeschlossen. Doch eine Kostenübernahme ist nur bei solchen Menschen, die versichert sind, gewährleistet. Aber gerade Angehörige der ärmeren Schichten sind meist nicht versichert. Für Angehörige aus der Dritten Welt gibt es gar keine bilateralen Versicherungsabkommen.

Sachs betont, daß Menschen, die in Lebensgefahr schweben oder bei denen eine akute Verschlechterung der mitgebrachten Krankheit zu befürchten sei, behandelt werden. Seien solche Bedingungen jedoch nicht gegeben, „dann schicken wir die Leute wieder nach Hause“.

taz