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Einst sehr geliebte taz-betr.: Weihnachts-Cartoon, taz v. 24.12.88

Kaum daß ich mich von meinem mir selbst auferlegten Schreibverbot für dieses Blatt befreien wollte, hatte ich am 24. Dezember ein ganz persönliches Weihnachtserlebnis: Die Jesuskarikaturen!

Ein aus dem Frauenschoß kriechendes Baby mit Dornenkrone und Stammtischvisage. Fruchtsaft kotzend. Da jubelt der Kegelclub!

Es folgten, ausgeführt von Mutter Maria als Krankenschwester und Joseph als Arzt (Doktorspiele! Ihr versteht schon), das lustvolle Zerschneiden der Nabelschnur gefolgt vom Pflaster auf Bäuchlein „drei Nägeln zum Kennenlernen“ (also: Nagelprobe für deutsche Witzakademie).

Nach den „vier Löchlein“ für die Finger, „schmerzlos vorgebohrt“, folgte mittels „Tragegurt zum Üben“ das Probehängen am Kreuz vor Krippe. Vom Hodensack tragenden Weihnachtsmann einmal abgesehen (sein Sack von der Größe, die den Witz so richtig feuchtfröhlich macht; abends beim Bier mit den Kumpels), dachte ich anfangs noch an die pubertäre Schmiererei eines Kerls. Aber nein, der Kerl ist (so hörte ich), eine Frau. (Vielleicht aber auch, darauf tippe ich, weder das eine noch das andere.) Eben: Wie ihre/seine Zeichnungen: Weder so hinreißend sarkastisch wie die Cartoons von Deix noch so aggressiv ironisch wie Werke von Dix oder Grosz.

Genialität hat keine Katalognummer. Gewiß.Wir wollen alle alles 'ne Nummer größer - aber so klein war die taz noch nie (und dabei so verlogen).

Die berühmte Zeichnung vom Gasmasken-Jesus aus den frühen zwanziger Jahren würde sicher in der jetzigen Droste- und Vogel-freien taz wegen ausschwitzigen Gas-Assoziationen nicht gedruckt werden. Statt dessen macht sich eine mit ziemlicher Sicherheit frustrierte Kreatur in Eurer Redakton, mit 'nem Kohlestift als Mordwaffe, im 'Stürmer'-Niveau über einen armen Judenjungen her.

Antisemitische Tendenzen? Nee: Antimenschliche! Ihr solltet eine Tombola mit Geschmacklosem eröffnen. Ich schreib‘ nicht mit. Ich hoff auf Mai: Voila - die taz ist judenfrei.

Ilja Richter

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