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Knäste zu für Bremer Türkei-Delegation

Bürgerschaftsabgeordnete dürfen in der Türkei keine Häftlinge besuchen und keine Knäste inspizieren / Auf dem Weg zu Ahmed Güler kam sie nur bis ins Zimmer des Gefängnisdirektors / Güler drohen zehn Jahre wegen „illegaler politischer Organisation  ■  Aus Ankara Michael Weißfeld

Seit Sonntag abend hält sich eine Delegation der Bremischen Bürgerschaft in der türkischen Hauptstadt Ankara auf. Sie hat den Auftrag vom Bremer Parlament und dem Senat, Informationen über Menschenrechtsverlet

zungen in der Türkei einzuholen. Der zehnköpfigen Delegation gehören die Bürgerschaftsabge ordneten Barbara Noack (SPD), Bringfried Kahrs (SPD), und Paul Tiefenbach (Grüne) an. Mitgereist sind ferner sechs sachkompetente Bremer Bürgerinnen und ein taz-Reporter.

In den ersten beiden Tagen des einwöchigen Besuchs drängten sich Termine: Gespräche in der Botschaft, in Zeitungsredaktionen, mit Abgeordneten der oppositionellen, sozialistischen SHP, aber auch mit der regierenden Mutterlandspartei. Mit Energie hat sich die Delegation auch auf die Suche nach einem Mann gemacht, dessen Verhaftung in den vergangenen Monaten in Bremen für Schlagzeilen sorgte: Den Bremer Buchhändler Ahmed Güler. Weil er beim Ausbruch von 18 politischen Häftlingen aus dem Gefängnis von Kirsehir (Mittel-Anatolien) geholfen haben soll, war Güler im September 1988 festgenommen und von der Polizei in Ankara schwer gefoltert worden.

Das Büro seines Anwaltes Emir Deger ist am Montag abend gesteckt voll. Nicht nur die Mutter Ahmed Gülers erkundigt sich nach seinem Prozeß, sondern auch die Bremer Abgeordneten. Daß er tatsächlich beim Ausbruch von Kirsehir geholfen hat, könne ihm die Polizei nicht beweisen, meint Deger. Immerhin hat der Staatsanwalt dafür nur eine vergleichsweise geringe Strafe von einem Jahr beantragt. Viel schlimmer für Ahmed: Er ist auch der Zugehörigkeit zu ei

ner illegalen Organisation angeklagt. Das kann für ihn bis zu zehn Jahren Gefängnis bedeuten. Am Mittwoch will der Staatsanwalt Beweise für die illegale politische Betätigung vorlegen. Solche Beweise könnten nur aus Bremen kommen, wo Ahmed Güler nun seit sieben Jahren gelebt und gearbeitet hat.

Emir Deger, der Anwalt ist ein schalkhafter kleiner Glatzkopf. Vor seinen Gästen aus dem fernen Bremen blättert er gerne in der dicken Prozeßakte und beugt sich dabei tief unter das Portrait von Staatsgründer Kemal Atatütk, der herrisch von der Wand blickt. Die Staatsanwaltschaft hat eine Skizze anfertigen lassen, die Deger seinen Bremer BesucherInnen zeigt. Das Grundstück an der Knastmauer hätten Helfer der Geflüchteten gekauft, will die Polizei herausgefunden haben. Vom Keller eines Hauses sei dann der Tunnel in den Untergrund des Gefängnisses getrieben worden. Die Pläne dafür seien in der Bundesrepublik ausgetüftelt worden. Auch Ahmed Güler sei extra in die Türkei gereist, um bei dem Ausbruch mitzuhelfen.

Das bestreitet Ahmed entschieden. Bei der ersten Gerichtsverhandlung im Dezember

hatte er lediglich eingeräumt, daß er mit zwei anderen, ebenfalls der Fluchthilfe verdächtigen, an einem Septemberabend von Ankara aus in Richtung Kirsehir gefahren sei. Auch das nicht freiwillig, sondern weil er von den Organisatoren des Ausbruchs gezwungen worden sei. Auch ein Auto habe er auf sieben Namen anmieten müssen, daß zur Flucht eingesetzt worden sei. Wenige Kilometer vor Kirsehir habe er aber warten sollen. Die Fluchthelfer hätten ihn wohl nicht mitnehmen wollen, weil sie ihm nicht trauten. Im Morgengrauen kamen seine Begleiter zurück. Die 18 zum Tode verurteilten waren inzwischen durch den Tunnel in die Freiheit gekommen. Eine riesige Fahndung wurde ausgelöst, in deren Rahmen wenige Tage später auch Güler und seine Eltern festgenommen wurden. Soweit Gülers Anwalt.

Am Montag morgen machte sich die Delegation auf den Weg zum Staatsgefängnis von Ankara. Großes Erstaunen unter den grünuniformierten“ Jandarma“ (Soldaten im Polizeidienst) , als zwei Taxis vollbesetzt mit Deutschen auf den Hof fahren. Die Bremer Lehrerin Yvonne Müller, die bei diesem

Besuch als Dolmetscherin fungiert, trägt dem Pförtner dem Wunsch der Delegation vor, Güler zu besuchen. Wir werden darauf zum stellvertretenden Gefängnisdirektor geführt. „Ahmed Güler? Soll der bei uns sein?“ Der Direktor, der uns noch nicht einmal seinen Namen nennen will, will von nichts wissen. Bedienstete bringen ihm schließlich die Akte. „Ja, er ist hier. Aber Besuch darf er nur von seinem Anwalt und Verwandten bekommen. Über Ausnahmen entscheidet das Justizministerium.“ Dort, so verspricht er uns, werde er für uns einen Termin mit dem General-Direktor der Gefängnis -Aufsicht machen.

Im Justizministerium werden wir zunächst noch nicht einmal in das Gebäude gelassen. Am Nachmittag gibt es aber doch ein Gespräch, allerdings nur mit unteren Beamten der Gefängnis -Aufsicht. Die Delegation habe nicht den „richtigen bürokratischen Weg“ eingehalten, sagt man uns. Der führe über die deutsche Botschaft und das türkische Außenministerium zum Justizministerium, nicht aber direkt.

Auf Nachfrage eines Beamten erklärt das Außenministerium: Der Besuch eines Gefangenen bleibt der Delegation verwehrt.

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