piwik no script img

Vorwürfe gegen Senat und Galinski

■ Konflikt zwischen zwei jüdischen Glaubensgemeinschaften / Adass-Jisroel-Gruppe wirft dem Vorzitzenden der Jüdischen Gemeinde Galinski Festhalten an Gestapo-Verfügung vor

Die jüdische Glaubensgemeinschaft „Adass Jisroel“ hat auf ihrer weltweiten Jahrestagung in Tel Aviv dem Berliner Senat ein skandalöses und untragbares Verhalten vorgeworfen. Der Senat habe Adass Jisroel „mit Hinweis auf ein durch nichts legitimiertes Veto“ von Heinz Galinski, dem Vorsitzenden der Berliner Jüdischen Gemeinde, jede Unterstützung sowie die Wiederherstellung der früheren Rechte der Gemeinschaft verweigert.

Galinski lehnte es gestern gegenüber der taz grundsätzlich ab, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Der für Fragen der Jüdischen Gemeinde zuständige Mitarbeiter der Kulturverwaltung, Peter Vierlich, sagte, daß es ein „Veto“, das für den Senat maßgeblich sei, nicht gegeben habe. Allerdings sei Galinskis ablehnende Haltung gegenüber einer Wiedergründung der Adass-Jisroel-Gemeinde dem Senat wohlbekannt.

Von den verschiedenen jüdischen Gemeinden, die vor der Nazi -Zeit existierten, brachte Adass Jisroel Orthodoxie mit weltlicher Aufklärung in Einklang. 1939 wurde die Gemeinde durch eine Gestapo-Verfügung zwangsaufgelöst und in die „Reichsvereinigung der Juden“ überführt. In der Nachkriegszeit ging das Vermögen von Adass Jisroel in die Jüdische Gemeinde über. Sie gilt als sogenannte „Einheitsgemeinde“ und repräsentiert nach ihrem eigenen Verständnis sowohl die orthodoxe als auch die liberale Richtung des Judentums. 1986 „rekonstituierte“ Mario Offenberg, der Sohn eines Überlebenden, Adass Jisroel. Er wirft der jetzigen Jüdischen Gemeinde vor, über das Vermögen von Adass Jisroel verfügt zu haben.

Damit - so Mario Offenberg - wirke die Gestapo-Verfügung, nach der Adass Jisroel zwangsaufgelöst wurde, bis heute fort. Es gehe nicht an, daß das Unrecht der Nazi-Zeit nicht nur fortwirke, sondern an dessen Aufrechterhaltung noch tatkräftig festgehalten werde. Mit Genugtuung sei dagegen auf der Jahrestagung in Tel Aviv die Mitteilung aufgenommen worden, wonach der DDR-Staatsratsvorsitzende Honecker im November letzten Jahres die vollständige Wiedereinsetzung von Adass Jisroel im Ostteil der Stadt offiziell erklärt habe. Mit der DDR-Regierung würden gegenwärtig die Modalitäten für die künftige Arbeit in Ost-Berlin besprochen und festgelegt.

Zu den verlorenen Rechten von Adass Jisroel gehört ihr Status als Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Peter Vierlich sagt, daß die Einstellung des Senats zu einer Widerkonstitution noch nicht festliege. Es müsse sich zeigen, ob die Überlebenden und Nachfahren sowie Anhänger der früheren Gemeinde tatsächlich stark genug seien, sie wieder aufleben zu lassen. Bereits 1949 hätte es einen privatrechtlichen Verein namens Adass Jisroel gegeben, der sich jedoch Anfang der sechziger Jahre wieder auflöste.

Zweifel am Sinn einer möglichen Adass-Jisroel-Gemeinde hegen viele Mitglieder der jetzigen Jüdischen Gemeinde. In Berlin stehe und falle die Adass-Jisroel -Glaubensgemeinschaft mit der Familie Offenberg. Offenberg spricht von etwa 50 Mitgliedern in beiden Teilen der Stadt, weltweit seien es 500 Familien. In unregelmäßigen Abständen fänden Gottesdienste statt. Zweifel an einer Wiedergründung haben viele Juden auch, weil Offenberg als nicht-orthodoxer Jude nicht die Glaubensrichtung von Adass Jisroel repräsentieren könne.

E.K.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen