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Standbild: Der Hades unter Paris "Unter dem Pflaster liegt der Strand", 9.1.,ARD

(Unter dem Pflaster liegt der Strand, 9.1., ARD, 21 Uhr) Unter dem Pflaster liegt der Strand, hieß es im Mai '68 in Paris, und da liegt er tatsächlich: „La plage“ ist nur einer von vielen Höhlräumen in den vierhundert Kilometer langen Gängen der ehemaligen Pariser Steinbrüche. „La plage“, so genannt nach einem Wellengraffiti, steckt voller Beispiele moderner Höhlenmalerei. Die anonymen MalerInnen, die diese Gewölbe frequentieren, gehören zu den „Kataphilen“, die uns leibhaftig gleich mehrere Male bei einem unterirdischen Rockkonzert vorgeführt werden. Sie sehen aus, wie eben Jugendliche überall auf einer schummrigen Rockfete aussehen.

Obwohl wir das nach einigen Einstellungen wirklich wissen und gemerkt haben, daß der Regisseur Michael Gramberg mit seinen immer wieder gestellten Fragen, was sie denn bloß so toll da unten finden, nicht weiterkommt, versucht er es noch zweimal im Laufe des Filmes.

Zwischendurch erfahren wir, daß auch die 68er weiland unfreiwillig die dunklen Gefilde kennenlernten: Wegen Überfüllung der Knäste wurde kurzzeitig eine unterirdische Untersuchungsanstalt unter der Oper angelegt. Daß ebenfalls wegen Überfüllung - diesmal der Friedhöfe - nach zahlreichen Epidemien, die hinweggeraffte Pariser Bevölkerung dem Hades in den Katakomben nähergebracht wurden, erfahren wir ebenso, wie wir lernen, wann und wo im Untergrund Champignons gezüchtet wurden oder werden. Wir machen einen Abstecher in ein gotisches Gewölbe unter einem heutigen Feuerwehrhaus, besichtigen deutsche Bunker und einen Unterschlupf von Resistancekämpfern.

Schließlich verlieren wir uns nicht nur in den düsteren engen labyrinthartigen Gängen der Pariser Unterwelt, sondern haben auch schon längst die Hoffnung auf Ariadnes Faden im Filmkonzept fahren gelassen. „Ein Vergnügen, das schwer nachzuvollziehen ist“, seufzt Gramberg einmal, als er einem Kataphilen-Loner durch die Gänge folgt.

Aber unser Mann im Untergrund gibt nicht auf. Er läßt sich noch einmal von den Tanzenden erklären, was er offenbar nicht begreift: „Ich entspanne mich, ich vergesse die Menschen da oben, die immer nur rennen“, sagt ihm einer in die Kamera. „Das Vergnügen kann man nicht beschreiben“, resigniert er schließlich und hetzt uns weiter durch die Kanalisation und die Jahrhunderte. Im ewig gleichbleibendem Tonfall wird uns auch noch das Interesse an einem anderen neuzeitlichen Phänomen vermasselt. In einem Pariser Vorort haben sich gerade wieder neue BewohnerInnen steinalte Höhlen häuslich eingerichtet, in die nie das Tageslicht dringt. Die Höhle sei warm und voller Charme und im Grunde ein „dem Menschen gemäßer Raum“, erklärt uns ein überzeugter Höhlenbewohner. Es hätte so spannend sein können, Paris von unten als neugierige HöhlenforscherInnen zu durchstreifen, wenn uns das ARD bloß nicht so einen penibel-desorientiert -eklektischen Cicerone dazu angeboten hätte.

Rita Hermanns

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