Headhunter: Cash gibt's immer

„Personalberater“ vermitteln Führungskräfte und scheffeln Millionen-Provisionen / Neu im Angebot: Die sanfte Rausschmißvermittlung  ■  Von Thomas Östreicher

Für den „Jägermeister„-Boß Günter Mast liegt der Fall klar: „Headhunter sind mir zu teuer“, vertraute er der Unternehmer -Zeitschrift 'Management Wissen‘ an. „Ich suche mir meine Leute selbst aus.“ Ähnliches gibt Daimler-Benz-Vorständler Manfred Gentz zu Protokoll. Trotz des gelegentlichen Lückenproblems arbeiteten dessen Personalchefs „ganz selten“ mit Headhuntern zusammen, sagt er. Alles Bluff? Oder lügen die Personalberatungsfirmen, wenn sie bei Marktumfragen zweistellige Millionenumsätze pro Jahr angeben?

Sie lügen allem Anschein nach nicht. Seit einigen Jahren entwickelt sich auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt mit den Schwerpunkten Düsseldorf und Frankfurt eine Spielart des legalen Menschenhandels, in der windige Praktiken einhergehen mit reinem Gangstertum. Während in Großbritannien angeblich schon vier von fünf Führungskräften per Beratungsfirma neue Karrierewege beschreiten, sollen es in den USA fast 100 Prozent sein. In der Bundesrepublik sprechen Schätzungen immerhin von einem knappen Drittel Vermittlungsquote durch Headhunter. Jahreszuwachs: 15 Prozent. Das sind lediglich die offiziellen Daten.

Wozu aber einen Headhunter bezahlen, wo es doch meist qualifizierte, hauseigene Besetzungsbüros gibt? Schließlich beträgt das Erfolgshonorar ungefähr ein Drittel des Jahreseinkommens des Vermittelten; wenn es um Herren der oberen Etagen gehht, werden leicht 20- bis 50.000 Mark fällig, häufig mehr. Klare Antwort: Eine hochdotierte Stelle unbesetzt zu lassen, dadurch vielleicht sogar Umsatzeinbußen in Kauf zu nehmen, geht mindestens ebenso ins Geld. Da ist erstmal jede Investition angebracht.

Vor allem gilt das für schnell expandierende Unternehmen. Der Headhunter verpflichtet sich zu zeitaufwendigen Recherchen, bundesweit oder im Umfeld einer anvisierten Person, wenn nötig sogar bis an die Grenze der Industriespionage. Daß jeder Headhunter werden kann, der es sich zutraut, sorgt eben auch für wilde Sitten.

Die einfachsten Wege, gute Leute zu finden, erinnern ein wenig an die „Arbeit“ von Wohnungs- und Immobilienmaklern. Teure Branchenhandbücher und Fachzeitschriften durchforstet der beauftragte Headhunter nach Adressen, es werden Teilnehmerlisten von Fortbildungsseminaren kopiert und gelegentlich auch schon mal ein Firmentelefonbuch geklaut.

Die verzeichneten Herrschaften ruft der Headhunter dann an und erkundigt sich - nicht nach dem Angerufenen selbst (das ist die Ausnahme), sondern danach, ob der jemand weiß, der vielleicht Interesse hätte, sich beruflich zu verbessern. Mit ein bißchen Glück ist dann auch der Gesprächspartner höchstpersönlich interessiert. Der Anruf eines Headhunters schmeichelt nämlich dem Selbstwertgefühl ungemein. Zweite Möglichkeit: Der Headhunter beauftragt eine gewiefte Telefonistin, für die es mit ein wenig Phantasie („Die Angelegenheit ist sehr privat!“) ein Leichtes ist, an die Firmendurchwahl beziehungsweise die Privatnummer der „Zielperson“ heranzukommen.

Selbst Universitätsprofessoren mischen in dem Geschäft um Köpfe und Adressen mit, halten sie doch während der langen Jahre des Studiums engen Kontakt zu potentiell Gesuchten unter ihren Schützlingen, wissen um Fähigkeiten und Adressen. Wer da den Datenschutz reklamiert, erntet nur ein müdes Lächeln.

Headhunting ist ein in der gesamten Wirtschaft selten eindeutiger Fall von kollektivem Gesetzesverstoß. Denn die beschriebenen Methoden der „Direktansprache“ sind schlicht verboten. Von wenigen lizensierten Ausnahmen abgesehen, besitzen die Arbeitsämter ein Vermittlungsmonopol in Sachen Jobs. Privaten Unternehmen ist die Suche nach Führungskräften nur per Zeitungsanzeige gestattet. Direkte Abwerbe-Gespräche sind illegal, Listen mit Veränderungswilligen dito. Eigentlich. Dennoch geben die größten Headhunter-Unternehmen offen zu, fast immer mit Direktansprachen zu arbeiten und nie (!) per Inserat, so die Firmen „Eurosearch Consultants“, „Heidrick und Struggles“ (Jahresumsatz jeweils um acht Millionen Mark), „Mülder & Partner“ (zwölf Millionen) und „Egon Zehnder International“ (15 Millionen, 100 Millionen weltweit).

„Jede namhafte Agentur muß einfach über Bewerberkarteien verfügen“, versichert Lothar W., Personalchef in Hessen. Daß da praktisch niemals Bußgelder verhängt oder Karteien beschlagnahmt werden, erstaunt sogar die sonst Headhuntern nicht gerade abgeneigte Fachpresse. Personalberatung ist offenbar eine Art „rechtsfreier Raum“. Karl Baumgartner, Unternehmensberater in Sindelfingen, sieht politische Gründe dafür: „Seit dem Wendejahr 1982 scheint die Bundesanstalt in Nürnberg ein Auge zuzudrücken.“ Effekt: Die Stellenvermittlung wird privatisiert, die Arbeitsämter dienen zunehmend der Arbeitslosenverwaltung und die Personalberater kassieren die Provisionen.

Der sanfte Tritt: Outplacement

Bei so lockeren Möglichkeiten, die schnelle Kohle zu machen, wundert es nicht, daß immer mehr Kopfjäger in den Markt drängen. „Ich werde jeden Tag angesprochen“, sagt Manfred Gentz von Daimler-Benz, und übertreibt damit sicher nur wenig. Doch Großwild vom Kaliber Gentz ist dünn gestreut. Drum - zweiter Gesetzesverstoß - werden auch zuhauf einfache Angestellte vermittelt, um auf einen gewissen Schnitt zu kommen. „Fast alle“, will das 'Manager Magazin‘ herausgefunden haben, leben „vom Massengeschäft“. Genaue (und zeitaufwendige) Überprüfungen, ob der Kandidat wirklich geeignet ist, unterbleiben da meist. Die „Neuen“ werden verheizt und gehen häufig schon nach der Probezeit. Für den Headhunter heißt es dann „nachbessern“.

In solchen und vergleichbaren Fällen folgt dem Problem, die richtigen Leute zu bekommen, das zweite schon auf dem Fuß: sie nämlich möglichst unauffällig wieder loszuwerden. Und schon haben sich die ersten Headhunter mit neuem Aufgabengebiet etabliert.

Sogenannte „Outplacement-Berater“ vermitteln dem Unerwünschten im Auftrag der Firmenleitung ganz direkt neue Arbeitsplätze, womit sich der Kreis schließt. Headhunter haben das Personalkarussel in den vergangenen Jahren allerorten nach Kräften beschleunigt, „Outplacement-Berater“ versetzen denen, die nicht mehr gebraucht werden, den sanften Tritt.

Cash gibt's immer.