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Für Angola hat die Herausforderung begonnen

Nach 13 Jahren Waffenbrüderschaft kehren die kubanischen Truppen nach Hause zurück / Die Kubaner wurden am Dienstag mit einer Volksparade verabschiedet / Auch der ANC muß die Auflösung von sieben Stützpunkten politisch und militärisch verkraften  ■  Aus Luanda Knut Pedersen

Ausgebleicht von 13 Jahren tropischer Sonne ist die kubanische Flagge, die 1975 mit den ersten „Internationalisten“ nach Angola gekommen war, am Dienstag auf die Rückreise gegangen: in Begleitung von 450 Soldaten, die den kubanischen Truppenabzug feierlich eröffneten. Dreitausend „Barbudos“ („Bärtige“) sollen bis zum 1.April Angola verlassen haben, und die Heimkehr der insgesamt 50.000 Kubaner soll im Juli 1991 abgeschlossen sein.

Darauf haben sich Angola und Kuba im Rahmen des am 22.Dezember in New York unterzeichneten, regionalen Friedensabkommens verpflichtet. Bereits gestern verließ ein sowjetisches Schiff mit weiteren tausend Kubanern an Bord den Hafen von Luanda. Bis Samstag sollen insgesamt 3.000 Kubaner Angola verlassen haben. „Eine Geste guten Willens“, erklärte Angolas Staatschef Jose Edouardo dos Santos anläßlich der Abschiedszeremonie für die kubanischen Soldaten.

In Luanda hat ein längst tot geglaubter „proletarischer Internationalismus“ am Dienstag verspäteten Abschied gefeiert. Volksparade, geballte Fäuste, tausend kleine Nationalflaggen, die vorbeiziehende „Arbeiter und Bauern“ im Rhythmus politischer Slogans wedeln, die ein Propagandist ins Mikrofon der Ehrentribüne schreit: kaum ein Klischee bleibt ausgespart. „Wir haben zusammen in den Schützengräben gelegen, Auge in Auge mit dem gleichen Feind. Wir haben unser Blut gezollt, um dem Ruf der Pflicht zu folgen“... Solch pathetischen und martialen Ton hat der kubanische Oberst Venancio Avila Guerrero angeschlagen. Nach seiner Rede genügt es, die „heroische Schlacht von Cuito Cuanavale“ zu erwähnen, um frenetischen Applaus zu erheischen.

Nach monatelanger Belagerung haben im März rund 8.000 südafrikanische Soldaten vor Cuito Cuanavale, dem strategischen Tor des Südosten Angolas, erfolglos den Rückzug angetreten. Die militärische Wende wird bereits heute zur politischen Legende.

„Auf diesem Platz wurde vor 13 Jahren, am 11.November 1975, die Unabhängigkeit Angolas ausgerufen“, hat Staatspräsident Dos Santos an den schwierigen Anfang eines Regimes erinnert, das sein Überleben seit 13 Jahren nicht zuletzt den kubanischen Soldaten verdankt: „Damals stürmten sie direkt aus dem Flugzeug an die Front. Luanda war umzingelt von Söldnertruppen im Norden, die mit Hilfe der zairischen Armee vorrückten, und südafrikanischen Panzerkolonnen, die mit der Eroberung unserer Hauptstadt ihren kolonialistischen Feldzug krönen wollten.“ Als „Söldner“ werden heute die Guerilleros der rivalisierenden Unabhängigkeitsbewegung FLNA Holden Robertos bezeichnet...

Mit dem Abzug der kubanischen Truppen beginnt für die angolanische Regierung der Countdown einer militärischen, aber auch politischen Herausforderung. Ohne die „Internationalistische Waffenbrüderschaft“ muß die Armee die Guerillaaktivitäten der Unita-Rebellen zumindest in Grenzen halten. Die „Union für die vollständige Unabhängigkeit Angolas“ Jonas Savimbis führt ihren Buschkrieg seit 1964: Jahrelang gegen die portugiesischen Kolonialherren und seit der Unabhängigkeit - gegen das „Minderheitsregime in Luanda“. Zehn der siebzehn Provinzen Angolas gelten heute als „unsicher“, und die strategische Eisenbahnlinie von der Küstenstadt Benguela in den zambischen Kupfergürtel ist auf Dauer unterbrochen.

Aber die Position der Rebellen ist ebenfalls geschwächt: Südafrika hat sich auf den Abbruch seiner massiven Unterstützung verpflichtet. Ob Pretoria in Angola Wort halten wird, nachdem in Mosambik ein vergleichbares Abkommen offen unterlaufen wurde, steht freilich dahin.

Im Gegenzug hat die angolanische Regierung die Schließung von sieben Militärbasen des südafrikanischen ANC bereits begonnen. Tapfer marschierten am Dienstag „Kämpfer des ANC“ gleichwohl an den kubanischen Soldaten vorbei - ohne Slogans und mit einer einzigen, von Kindern getragenen Banderole: „Venceremos“, wir werden siegen. Als ob der erfolgreiche Kampf gegen das Apartheidregime nunmehr die Sache kommender Generationen sei.

„Die Evakuierung Angolas bedeutet einen schweren Rückschlag für uns“, gibt der ANC-Vertreter in Luanda, Uriah Mokeba, zu. „Mehrere tausend unserer besten Leute müssen das Land verlassen, in dem wir eine seit langem aufgebaute, militärische Infrastruktur verlieren.“ Den Statistiken der Vereinten Nationen zufolge leben annähernd 10.000 südafrikanische Flüchtlinge in Angola. Nach stark schwankenden Schätzungen werden zwischen zwei und sechstausend von ihnen als „Freiheitskämpfer“ betrachtet. „Sie werden zum größten Teil nach Tansania gehen, aber auch nach Äthiopien und Ghana“, kündigte im Gespräch mit der 'taz‘ Uriah Mokeba an.

Der „Frieden ohne Sieger und Besiegte“, von dem der amerikanische Verhandlungsführer Chester Crocker gesprochen hat, kommt offenbar nicht ohne Opfer aus. Für die angolanische Regierung bedeutet die Ausweisung der ANC -Kämpfer einen Prestigeverlust als Bollwerk gegen die südafrikanische Apartheidpolitik. Das verstärkt das Identitätsproblem eines Regimes, das seine Legitimität weder historisch noch demokratisch und nicht einmal faktisch ableiten kann. Der nationale Befreiungskampf wurde von drei rivalisierenden Bewegungen geführt, Wahlen haben nie stattgefunden und die Regierung kann dreizehn Jahre nach der Unabhängigkeit noch immer nicht die innere Sicherheit garantieren.

„Ohne inneren Frieden wird es hier nie etwas zu kaufen geben“, hat auf die Frage nach den Zukunftsaussichten ein einfacher Mann erklärt. Er stand seit Stunden Schlange vor einem „Volksladen“, der angeblich beliefert worden ist

„Mit dem Abzug der Kubaner verliert das Regime seine Prätorianergarde“, glaubt ein westlicher Diplomat, demzufolge „die Rivalitäten diverser Fraktionen nunmehr offen ausbrechen werden. „Der innere Frieden“ in Angola ist eine politische Herausforderung, deren Probe aufs Exempel ohne Zweifel die Integration der Unita-Rebellen darstellt. Noch vor Monaten undenkbar, wird in diplomatischen Kreisen in Luanda heute von einem „Gipfeltreffen“ zwischen Staatspräsident Dos Santos und Jonas Savimbi gesprochen. Die Bedingung sei allerdings, daß der Rebellenchef anschließend ins Exil ginge, und zwar ausreichend lange, um jene Vergangenheit vergessen zu machen, die zugleich die Jugendzeit der meisten Angolaner war: 45 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre. Sie kennen nur Bürgerkrieg, Sabotage, Minen in den Feldern und die Unabhängigkeit unter kubanischem Schutz.

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