piwik no script img

ETA-Führer in Frankreich festgenommen

Chef der ETA und weitere Mitglieder der Führungsspitze der baskischen Untergrundorganisation in Bayonne verhaftet / Knapp eine Woche zuvor hatte die ETA einen Waffenstillstand angekündigt / Spanische Regierung stellte Auslieferungsbegehren  ■  Aus Madrid Antje Vogel

„Wenn wir die ETA-Führung nicht festgenommen haben, so deshalb, weil wir sie nicht erwischt haben“, hatte Frankreichs Staatspräsident Fran?ois Mitterand im vergangenen November am Abschluß eines französisch -spanischen Gipfels erklärt, der zur Enttäuschung der Spanier nicht zu einem neuen Antiterrorismus-Abkommen geführt hatte. Knapp zwei Monate später, am 11.Januar, schlug die französische Polizei zu: In Bayonne im französischen Baskenland verhaftete sie Josu Ternera, Nummer eins der baskischen Untergrundorganisation, Elena Beloki Resa, die einzige Frau im ETA-Führungsgremium, drei weitere Etarras und zwei Franzosen. Josu Ternera, eigentlich Jose Antonio Urrutikoetxea Bengoetxea, war 1971 nach Frankreich geflohen. Er soll an dem Attentat auf Francos Regierungschef Carrero Blanco 1973 beteiligt gewesen sein. Seit 1975 gehörte er dem ETA-Exekutivkomitee an, das die Attentate plant und ihren Spezialkommandos die Ausführung befiehlt. Spaniens Presse bringt ihn auch mit dem Mord an der ETA -Dissidentin „Yoyes“ 1986 in Zusammenhang. Seit dem Tod des Etarra „Txomin“ 1987 und der Verbannung des ETA-Führers „Antxon“ nach Algerien war Ternera zum Führer der Organisation aufgestiegen. Er wird zum harten Flügel der ETA gerechnet, der statt auf Verhandlungen mit der spanischen Regierung auf die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes setzt.

Die spanische Regierung kündigte noch am Mittwoch ein Auslieferungsbegehren an und äußerte sich erfreut über die Festnahme. 1984 hatten die französische und die spanische Regierung ein Auslieferungsabkommen abgeschlossen. Durch die Regierung Chirac war darüber hinaus ein Eilverfahren für Abschiebungen nach Spanien eingeführt worden, das die Sozialisten nach ihrer erneuten Regierungsübernahme zum Ärger der Spanier wieder rückgängig machten. Wahrscheinlicher als eine Auslieferung scheint jedoch, daß Josu Ternera in Frankreich wegen unerlaubten Waffenbesitzes und wegen des Schußwechsels mit der Polizei während seiner Festnahme der Prozeß gemacht wird und er seine Strafe zunächst in Frankreich absitzen muß.

Die Festnahme der Etarras erfolgte just vier Tage, nachdem die ETA einen zweiwöchigen einseitigen Waffenstillstand erklärt hatte, um die Wiederaufnahme von Kontakten mit der Regierung zu ermöglichen. Das Angebot war von spanischen Regierungskreisen mit Skepsis aufgenommen worden. Bereits Anfang letzten Jahres hatte die ETA ein solches Angebot gemacht, dem offenbar ein Dialog mit Regierungsvertretern gefolgt war. Nach der Entführung des Industriellen Emiliano Revilla kurz darauf waren die Gespräche allerdings wieder abgebrochen worden. Im vergangenen November war nach der Freilassung Revillas ein erneuter Waffenstillstand angeboten worden.

Die ETA-nahe Koalition Herri Batasuna verurteilte die Verhaftung und bezeichnete sie als Provokation angesichts des Verhandlungswillens der Organisation. Skeptiker hatten allerdings schon vor den Festnahmen befürchtet, der Waffenstillstand sei nicht mehr als ein Versuch, den Schwarzen Peter für die Unbeweglichkeit der Situation der Regierung zuzuschieben. Die ETA ist mit der Verhaftung von Josu Ternera zwar zurückgeschlagen, aber nicht geschlagen. An seine Stelle werden nun die beiden Mitarbeiter „Artapalo“ und „Waldo“ treten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen