piwik no script img

„Eine Koalitionsdiskussion ist einfach lächerlich“

Der Berliner SPD-Spitzenkandidat Momper zum Offenen Brief der Alternativen Liste, in dem die AL der SPD ein Koalitionsangebot macht  ■ I N T E R V I E W

taz:1987 erklären Sie in einem „Diskussionsbeitrag“ zur Regierungsfähigkeit, Sie wollen „nicht noch einmal ohne eine klar entwickelte Bündnisperspektive in den Wahlkampf gehen“. Sie sagen da auch, daß die SPD auf die Wahlziele verzichte, wenn sie dem Wähler nicht zeigt, mit welchen Mehrheiten, also Koalitionen sie die Politik durchsetzen will. Sie haben 1989 keine Bündnisperspektive, wollen sie gar nicht haben!

Momper: Der feine Unterschied zwischen 85er und 89er Wahl ist der, daß wir damals eine Ausgangslage von 38Prozent hatten und daß wir heute von 32,4Prozent ausgehen.

Diese Zitate stammen aber doch vom März87.

Ja, aber als Analyse des vorhergehenden Wahlergebnisses. Heute müssen wir von dem Tal von 32,4Prozent ausgehen, und das erfordert andere Verhaltensweisen. Was ich will, ist eine starke SPD, um die Inhalte, die wir für erforderlich halten, durchzusetzen. Und weil wir von 32,4 Prozent ausgehen, ist eine Koalitionsdiskussion einfach lächerlich.

Das ist doch implizit das Eingeständnis schon vor der Wahl, daß man mit der Wahl überhaupt keine regierungsfähige Mehrheit zusammenbringt.

Nein, das sage ich so nicht. Das Wahlergebnis wird dann die Basis sein, auf der man sich entscheiden muß.

1987 sagten Sie - um das Zitat vollständig zu machen -, die „Enttabuisierung einer möglichen Zusammenarbeit von SPD und AL muß heute beginnen“, weil man eine „klare Bündnisperspektive“ haben will. Das bezieht sich doch auf 1989!

Diese Enttabuisierung ist ja auch in den letzten vier Jahren geführt worden und hat ja auch zu Kompromissen in der praktischen Parlamentsarbeit geführt. Das ändert aber nichts daran, daß die Analyse von 1985 richtig ist. Aber der Unterschied zur jetzigen Ausgangslage sind eben die 32,4 Prozent.

Aber wenn Sie die Koalitionsfrage derart ausklammern, dann heißt das doch, so schlimm sind die Verhältnisse hier gar nicht, daß man um jeden Preis eine Regierungsalternative will?

Aber das sind doch alles Spielereien im luftleeren Raum, die doch mit der Realität gar nichts zu tun haben. Der Punkt ist doch der, daß die SPD stärker werden muß. Daß sie mit ihren Inhalten sozusagen vor dem Wähler bestehen muß, daß sie ein Placet für ihre Inhalte bekommt. Wir wollen natürlich die absolute Mehrheit von CDU/FDP brechen, wir wollen, daß ohne uns in der Stadt nichts geht, daß die unsoziale Politik nicht weitergeht, daß die ökologische Wende kommt. Aber die Koalitionsdiskussionen vor der Wahl interessieren den größten Teil der Menschen gar nicht.

Zum „luftleeren Raum“: die AL hat jetzt an Sie einen offenen Brief gerichtet, in dem sie „Zusammenarbeit bis zur Koalition“ anbietet. Die AL schreibt da, nur wenn der politische Wille der Veränderung, das heißt, eine „Regierungsalternative“ erkennbar ist, wird der Wähler seinen Unmut über die bisherige Politik auch ausdrücken, sich mobilisieren lassen. Ist das falsch?

Ich vertraue darauf, daß die Inhalte, die die SPD in Berlin propagiert, stark genug sind, die Wähler zu überzeugen. Was die AL macht, ist ein schlicht durchsichtiges Manöver drei Wochen vor der Wahl. Vier Jahre lang hat die Koalitionsfrage die AL überhaupt nicht interessiert, weil sie ausschließlich mit sich selber beschäftigt war. Selbst Diskussionsansätze zur Deutschlandpolitik, zur Position Berlins, zur Gewaltfrage sind irgendwann abgebrochen worden. So ist das auf der Basis der ungeklärten Inhalte, die die AL vertritt, nur der vordergründige Versuch, der SPD eine Koalitionsdiskussion aufzuzwingen.

Für Sie ist ein solcher Kooperationsvorschlag also nicht diskutabel?

So ist es. Drei Wochen vor der Wahl ist das lächerlich.

Die AL ist ja realistisch: Sie anerkennt die inhaltlichen Unterschiede, aber sie nennt ein paar Punkte der Übereinstimmung - „radikaler Wandel in der Hochschulpolitik; Demokratisierung der Stadt...“

Darum geht es doch gar nicht; die Basis dafür ist drei Wochen vor der Wahl nicht herstellbar. Die AL ist doch als Parteiorganisation gar nicht vorhanden. Sie ist nicht kalkulierbar für eine längerfristig angelegte Politik. Nein, das ist nichts als das alte Spiel, sich an der Tante SPD zu reiben...

Immerhin ein neues Spiel. Es ist das erste offene Koalitionsangebot...

Die SPD muß sich mit ihren eigenen Fragen beschäftigen.

Interview: KH/JG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen