: Wetterfühlige Brigade mit Kantinenproblemen
Erster Appell der deutsch-französischen Brigaden / Mit furztrockenem Pfälzer und Rotwein trotzte die neue Einheit Sprachproblemen und anderem Unbill / Statt Buhrufen Regimentsfähnchen auf den Läufen der Schnellfeuergewehre ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier
Na also, die letzten Hoch- und Bodennebel haben sich verzogen, Stuttgart und der mittlere Neckarraum baden sogar in frühlingshafter Wintersonne. Kein Dunst, soweit das Auge reicht. Eigentlich müßte es jetzt möglich sein, daß, was lang geplant, Bundeswehr und französische Armee zusammenkommen - zum Säbelrasseln, zum Appell, zur deutsch -französischen Brigade. Die paar Rauchschwaden gestern überm Böblinger-Sindelfinger Industriegebiet dürften doch nicht stören. Schon einmal nämlich war das konstituierende Zeremoniell wieder abgeblasen worden: Im ersten Novemberschnee des vergangenen Jahres war die französische Armee zwischen Tübingen und Böblingen wie weiland Napoleon steckengeblieben.
Jetzt aber! Zackig grüßt die Wache der Böblinger Wildermuth -Kaserne, überall wuseln geschäftige Mannschaften und Offiziere. Fesch herausgeputzt, das rote Barett zum grünen Kampfanzug. Doch dann, das darf nicht wahr sein: Eine Programmänderung aus Wettergründen, verkündet der Presseoffizier! Es scheint, ein passendes Wetter für diese Art deutsch-französischer Freundschaft gibt es nicht.
Als ob's nicht eh Probleme gibt, in Hülle und Fülle. Beim gemeinsamen Wachestehen beispielsweise: Der französische Soldat darf jeden vermeintlichen Feind oder Saboteur im Militärbezirk sofort erschießen, der deutsche darf nicht. Oder beim Mittagessen - der Franzos‘ kriegt einen Wein, der Deutsche nicht. Die nationalen Waffensysteme sind nicht aufeinander eingestellt und last not least die Sprache. Da kommandiert der eine auf französisch, der andere soll den Befehl auf deutsch befolgen. Auf die „belgische Lösung“ hat man sich verständigt - jeder spricht und hört eben wie er's grad vermag. Vielleicht, hofft General Forray, der französische Heeresinspekteur, haben ja unsere Kinder oder Enkel dafür eine Lösung.
Mit Verspätung kommt dann aber doch noch Bewegung in die Reihen, deutsch-französisches Fahnentuch wird angehoben, die Generalität bittet zum Empfang. Auf Hörnern wird vielstimmig das Signal des Jägerbataillons geblasen, zum Umtrunk schenken junge Soldaten weißen „furztrockenen Pfälzer Raddegigl“ und den Rotwein „Hohes Kreuz“ in die Gläser. Es treten auf der deutsche General von Ondarza und - in Physiognomie wie Statur Charles de Gaulle nachempfunden General Forray: „Die Brigade kann nach der Vorbereitung nur noch ein Erfolg werden.“ Und der französische General Forray hängt dem deutschen Oberst von Itzenblitz den „Ordre national du merite“ ans Revers, eine Art französisches Bundesverdienstkreuz am Bande. Dieser bedankt sich artig und verweist auf seine über zwanzigjährige deutsch-französische Beziehungskiste - seine Frau, die er in Montpellier kennengelernt hatte.
Dann aber ins Glied, rechts um, Augen gerade aus, marsch, marsch! Auf dem Exerzierplatz vor der Tribüne beginnt der Aufmarsch zum Appell. Es schmettern ein französisches Tambourbataillon und eine musikalische Ehrenformation der Bundeswehr. Kein Protest, kein Buh-Gerufe, man erhebt sich, aus französischem Blechblasinstrument erklingt die deutsche, aus deutschem Horn die Hymne der Franzosen, Regimentsfähnchen sind auf die Läufe von Schnellfeuergewehren aufgesteckt.
„Sie, Soldaten des deutschen Heeres, officiers, sous -officiers“, beginnt General von Ondarza seine knappe Rede ein bedeutendes Ereignis. Brigade, beschlossen vom Präsidenten der französischen Republik und Bundeskanzler Kohl. Ziel, Bande noch enger zu knüpfen, Verteidigung gemeinsamer Ideale von Recht und Freiheit, notfalls mit der Waffe. Sprachprobleme lösen, und die Interoperabilität des Fernmeldewesens, Ausbildung und Einsatz harmonisieren. Bin sicher, Sie werden die Aufgabe mit Schwung anfassen. General Forray wiederholt dasselbe auf Französisch. Ehrenformation abrücken, links um - Militärmusik.
Probleme, so von Ondarza später beim briefing, gebe es schon in der Küche, aber das löse sich allmählich. Der Sold zwischen Franzosen und Deutschen solle angeglichen werden. Offen sind Fragen einer gemeinsamen Uniform, unterschiedlicher Feiertage, der Länge der Haartracht oder Disziplin ebenso wie der unterschiedlichen Mörser und Kanonen. Das Disziplinarrecht jedenfalls bleibt national.
Die Wache am Kasernentor hat die Stellung „Dauergruß“ eingenommen. Solange das so bleibt, meint ein Kollege, richten sie wenigstens keinen Schaden an.
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