: Familienstreß & Kapital
■ Zum Thema „Kindgerechte Arbeitsplatzgestaltung“ erstmals Arbeitgeber und ErzieherInnen zusammengeführt / US-Firmen investieren in Kinderbetreuung
Vorausgesetzt, Neu-Entwicklun gen in den USA halten mit einiger Verspätung auch in der BRD Einzug, dürften sich gestreßte hiesige Eltern und Arbeitgeber für folgende US-Neuheit besonders interessieren: Nordamerikanischen Firmenchefs und -chefinnen ist aufgefallen, daß die Arbeits-Produktivität in ihren Betrieben mangels Arbeitsethos ihrer Beschäftigten sinkt. Weiterhin stellten die US-ChefInnen fest, daß ihre Beschäftigten der hochkonzentrierten Kopfarbeit an den firmeneigenen Computern aufgrund familiären Kinder-Stresses immer unkonzentrierter nachgehen konnten. In der Folge führten rund 3.000 US-Unternehmen eine „humane Sozialpolitik“ ein. Sie begannen, in die Kinderbetreuung ihrer Beschäftigten zu investieren, um die häuslichen Eltern -Kind und Frau-Mann
Konflikte zu besänftigen - in der Hoffnung, daß sich durch diese Investition auch die Arbeits-Produktivität an den teuren Computern wieder hebt.
Referiert wurden diese Neuerungen in der „Kindgerechten Arbeitszeitgestaltung“ gestern auf dem gleichnamigen Forum des Diakonischen Werkes Bremen. Erstmals in der BRD waren ErzieherInnen aus Kindertagesstätten und Arbeitgebervertreter, Eltern, Wissenschaftler-und PolitikerInnen an einem Tisch versammelt, um über den Streß mit Kind und Beruf zu debattieren.
Eingeladen hatte Ilse Wehrmann, Referentin für Kindertagesstätten im Diakonischen Werk Bremen, dem zweitgrößten Kindergarten-Träger in Bremen (2.800 Plätze). Ilse Wehrmann hat bereits kind-und elterngerechte Veränderungen gegen wi
derstrebende Kirchenmänner durchgesetzt: Die evangelischen Kitas werden, um berufstätigen Müttern und Vätern entgegenzukommen, neuerdings ihre Türen von 7 bis 17 Uhr offenhalten - eine Stunde eher und eine Stunde länger als die öffentlichen Einrichtungen (8 - 16 Uhr). Ilse Wehrmann sieht die Kindergärten generell vor einer „neuen Offensive“, um mit - noch zu entwickelnden - „fortschrittlichen Arbeitszeitmodellen“ und der gesellschaftlichen „Individualisierung“ (Dr. Ingrid Langer, Marburg) Schritt zu halten.
Die Bremer Wissenschaftlerin Dr. Claudia Born blieb pessimistisch, was das Durchsetzen neuer, flexibler Arbeitszeitregelungen anbelangt. In Interviews mit Müttern hat sie immer wieder festgestellt, daß Frauen beides, die Kinder und die Berufstätigkeit
wollen, daß sie aber keine Bündnispartner für ihre Forderungen - etwa nach sozial abgesicherten Teilzeitverhältnissen - haben: Weder die Unternehmer, noch die Gewerkschaften.
Eine Bonner Bündnispartnerin, die grüne Bundestagsabgeordnete Waltraud Schoppe, konnte eine Initiative ihrer Fraktion vermelden. Ähnlich wie Hochschulbauten sollen auch Kindergärten künftig vom Bund bezahlt und damit auch in verarmten Regionen ausgebaut werden. Ilse Wehrmann vom Diakonischen Werk war dies bei weitem nicht genug, sie betonte - entsprechend den us -inspirierten Thesen Dr. Harald Seehausens (Deutsches Jugendinstitut München) - „die Wirtschaft“ solle sich an dem Finanzieren der Lösungsmöglichkeiten beteiligen.
B.D.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen