: Wieder zwei Tiefflieger abgestürzt
■ In Ostfriesland stießen drei Tiefflieger in der Luft zusammen / Zwei der Maschinen stürzten nur wenige Meter neben ein Dorf in Ostfriesland / Verteidigungsministerium sieht keinen Grund zu schnellen Reaktionen
Wiesmoor/Bremen/Bonn (taz) - Schon wieder hat der Tiefflug -Wahnsinn zwei Todesopfer gefordert und beinahe eine Katastrophe ausgelöst: am Freitagmorgen hatte in der Grundschule von Wiesmoor im ostfriesischen Landkreis Aurich gerade die zweite Stunde begonnen, als es krachte: wenige hundert Meter von der Schule, am Ortsrand der 11.000 -Einwohnergemeinde Wiesmoor, bohrte sich ein britischer Düsenjet vom Typ Tornado in den Acker. Der Pilot und der Waffensystem-Offizier waren sofort tot. Wenige Kilometer weiter zerschellte ein deutscher Apha-Jet, dessen Pilot sich per Schleudersitz retten konnte und verletzt im Krankenhaus liegt. Bei einer Tiefflugübung war der aus Brüggen bei Mönchengladbach kommende britische Tornado aus bisher noch ungeklärter Ursache in 150 Meter Höhe in eine Formation von acht Bundeswehr-Alpha-Jets geraten und mit einer Maschine zusammengestoßen. Herumfliegende Flugzeugteile beschädigten noch einen weiteren Alpha-Jet. Der Pilot konnte die schwer beschädigte Maschine jedoch - unter Schock - auf dem Flughafen Wittmund notlanden.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums befand sich die Bundeswehr-Staffel in loser Formation im Tiefflug auf den Fliegerhost Wittmund, als der britische Düsenjäger mit dem Apha-Jet kollidierte. Daß kein Zivilist zu Schaden kam, ist reiner Zufall. Der Tornade prallte 200 Meter hinter den letzten Häusern auf den Boden. Offensichtlich ist es dem Piloten gelungen, einen Sturz zwischen die Häuser gerade noch zu verhindern. An einigen Bauernhäusern entstand leichter Sachschaden.
Das Bundesverteidigungsministerium will über politische Konsequenzen der neuerlichen Abstürze erst reden, wenn der Flugunfallbericht vorliegt. Zu einer Flugpause, wie nach der Katastrophe in Remscheid verkündet, wollte Luftwaffensprecher Trittermann keine Stellung nehmen. Die Flugpause war im Dezember verhängt worden, obwohl es sich in Remscheid nicht einmal um einen Tiefflug handelte. Wieviel Tiefflugtote muß es noch geben, fragte gestern der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuß des Bundestags, Horn. Fortsetzung auf Seite 2
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Horn fordert erneut die Einstellung der Tiefflüge. Verteidigungsminister Scholz sei „nicht nur der Unglücksrabe im Kabinett“, sondern auch ein „Mann mit Kaltschäuzigkeit und Gleichgültihkeit gegenüber
den Sorgen unserer Bürger“. Für den Bundestagsabgeordneten der Grünen, Mechtersheimer, sind die Abstürze „keine Katastrophe, sondern ein selbstverschuldetes Resultat der Regierungspolitik“.
Verteidigungsminister Scholz soll nach dem Unhlück in Ramstein, bei dem es 70 Tote und 350 Schwerverletzte gab, ein Angebot der USA abgelehnt haben, künftig auf Flugschauen zu verzichten. Das behauptet der SPD-Bundestagsabgeordnete Kolbow. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums Prause erklärte dazu wörtlich: „Nach den mir vorliegenden Informationen gab es ein derartiges Angebot nicht“. Bundeskanzler Kohl hat inzwischen in einem ZDF-Interview am Donnerstagabend eine drastische Verringerung der Tiefflüge über dem Bundesgebiet befürwortet. „Wenn es nach mir geht, wenn es nach der Bundesregierung geht, da gibt es keinen Unterschied auch zwischen dem Kollegen Scholz und mir und meinen Freunden in der Fraktion, werden wir drastisch reduzieren“, versuchte Kohl die Konflikte innerhalb von Regierung und Regierungskoalition zu überspielen.
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