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Partisanen im sozialen Wohnungsbau

Bremer Türkei-Delegation besucht Flüchtlingslager irakischer Kurden / Elende Lebensbedingungen, aber ungebrochener Stolz der kurdischen Peschmeree / Bremer Gesundheitsamt auf der Spur des irakischen Gaskrieges  ■  Aus Diyarbakir M. Weisfeld

Als der Kleinbus mit der Bremer Delegation den kahlen Hügel hinaufkriecht, auf dem die Wohnblocks der kurdischen Flüchtlinge liegen, kommt Bewegung in die Menge hinter dem Stacheldraht. Unzählige Kinder drängen sich um uns, als wir schließlich aus dem Bus steigen und wie brave Touristen um uns herum filmen und fotografieren. Wir kommen mit leeren Händen, denn 13.000 Flüchtlinge kann man nicht beschenken. Und wir fragen sie aus. Sie geben uns Antwort auf fast alle Fragen, wohl hoffend, daß wir ihnen dann helfen würden.

In drei Lagern leben die Kurden, die die irakische Armee Ende August 1988 aus ihren autonomen Gebieten nahe der türkisch-irakischen Grenze vertrieb. Die irakischen Kurden hatten im Golfkrieg den Iran unterstützt, der Irak strafte sie mit Giftgas. Die Bremer Delegation

aus ParlamentarierInnen und Türkei-KennerInnen wurde von Bürgerschaft und Senat ausgesandt, um zu erkunden, wie weit Menschenrechte unterm Halbmond gelten und besuchte auch drei dieser Lager. Hier der Bericht aus dem Lager Diyarbakir.

Wir wollen mit den Flüchtlingen reden und vorher die schweigsamen Beauftragten der Lagerleitung abschütteln. Im Handumdrehen werden Leute gerufen, die englisch können. Jochen Zenker, Leiter des Bremer Gesundheitsamtes, verschwindet mit seinem Dolmetscher in einer Wohnung: „Hier können wir reden, was wir wollen.“

Es gibt zu wenig Decken, berichtet der Dolmetscher, die Kinder frieren nachts. Es gibt zu wenig zu essen, und es ist viel, viel zu eng. Denn die Wohnblocks, in denen die Flüchtlinge jetzt untergebracht sind, wurden nicht für sie erbaut: In die fast fertigen Neubauten sollten einheimische Kurden einziehen, eine Familie

in jede der rund 60 qm großen Wohnungen. Heute hausen bis zu 40 Menschen auf dieser Fläche, eine Familie in jedem Raum, das Wohnzimmer ist mit einer provisorischen Wand aus Ästen und Decken abgeteilt.

Jochen Zenker fragt nach Seuchen. Ja, Typhus habe es gegeben und auch Paratyphus. Die Kanalisation sei verstopft, deswegen stehe das Abwasser in den Kellern. Wir hatten den üblen Geruch beim Hineingehen schon bemerkt. Die Kellertreppe ist von der vierten Stufe an mit Kloake überflutet.

Daß der Irak seine Kurden mit Giftgas ausrotten oder zumindest verjagen wollte, das weiß die ganze Welt, aber die Türkei leugnet es, um keinen Streit mit dem Nachbarn Irak zu riskieren. Und in der deutschen Botschaft in Ankara hieß es: „Die Türkei sagt, sie hätte keine Spuren von Giftgas gefunden, und wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln.“ Zenker läßt sich einen Mann vor

führen, den das Gas verletzte, als irakische Flugzeuge am Morgen des 25. August sein Dorf angriffen. Die Augen des 59jährigen Iskandir Omar sind noch immer rot und tränen, und er leidet an Sehstörungen. Die Verbrennungen an der Taille sind inzwischen abgeheilt. „Wenn sie überleben, gehen die Symptome zurück“, sagt Zenker, nachdem er den alten Bauern untersucht hat. Ja, wenn. Iskandir Omar beschreibt, wie sein Kinder und Enkel aussahen, nachdem der Wind das Gas verweht hatte und er noch einmal in sein Dorf zurückgagangen war: „Ihre Körper waren schwarz, aus ihren Nasen war Blut gelaufen und aus ihren Mündern ein gelbes Wasser.“

Trotz ihrer schrecklichen Erfahrungen, trotz Enge, Schmutz und Kälte, wirken die Flüchtlinge stolz und selbstbewußt. Ganz anders als die türkischen Kurden des Grenzgebietes, denen Polizei und Militär im Nacken sitzen und die jederzeit damit

rechnen müssen, eingefangen, gefoltert oder massakriert zu werden, wie die Bremer Delegation bei einem Besuch in einem kurdischen Dorf hautnah erfuhr.

Das Flüchtlingslager von Diyarbakir wird beherrscht von den Kämpfern der demokratischen Partei Kurdistans. Sie nennen sich 'Peschmergee‘ , das heißt: 'Die dem Tod ins Auge sehen‘. Dunkelblau und schwarz gemustert sind ihre Turbane und die Tücher, mit denen sie wie mit einem Gürtel ihre Uniform zusammenhalten. Nur aus einer einteiligen Kombi besteht ihre Kluft, unten ist sie wie eine orientalische Pumphose gearbeitet: Weit am Po und eng an den Waden, also gut zum Sitzen, Klettern und schnellen Laufen. Oben sieht sie aus wie eine schlichte Militärjacke mit Achselklappen und großen Brusttaschen. Nicht nur auf die Frauen der Bremer Delegation haben die stolzen Peschmeree Eindruck gemacht.

„Hier habt Ihr keine Zu

kunft“, sagt der Dolmetscher. „Wir wollen frei leben und arbeiten, nicht hinter Stacheldraht und nicht von Soldaten bewacht, egal, ob hier oder in einem anderen Land. Als die türkische Regierung fragte, wohin wir auswandern wollten, hab‘ ich gesagt: 'Ich will nach Amerika.'“ Tatsächlich hat die Regierung die Ausreisewünsche der Flüchtlinge ermitteln lasssen: Rund 3.000 wollten in westliche Länder weiterreisen, 229 davon in die Bundesrepublik. Ob wir in Bremen bald die ersten Peschmeree in den Straßen sehen werden?

Ein Teil der zehnköpfigen Delegation kehrte gestern nach Bremen zurück. Vier TeilnehmerInnen, unter ihnen die Abgeordneten Barbara Noack (SPD) und Paul Tiefenbach (Grüne), bleiben noch. Sie wollen das Flüchtlingslager in Madin ausführlich inspizieren und der Gerichtsverhandlung gegen Achmed Güler beiwohnen.

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