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Palach-Gedenken verhindert

5.000 Prager versammelt / Mit Wasserwerfern räumte die Polizei den Wenzelsplatz  ■  Aus Prag Klaus Bachman

Der Versuch einer Kranzniederlegung aus Anlaß des zwanzigjährigen Jahrestages der Selbstverbrennung des Studenten Jan Palach ist durch massiven Polizeieinsatz verhindert worden. Die Polizei hatte das Gelände um das Wenzelsdenkmal bereits Stunden vor der Demo weitgehend abgeriegelt. Allerdings hatten sich über 5.000 Prager von dem Aufgebot nicht abschrecken lassen und waren in Scharen zum Wenzelsplatz geströmt. Die Polizei griff zunächst nur einige Demonstranten heraus, die teilweise auch mit Knüppeln unter den Pfiffen der Bevölkerung verprügelt wurden, schritt dann aber massiv ein, nachdem die Menge nach Absingen der Nationalhymne begann, „Freiheit, Freiheit“ zu rufen. Die Sondereinsatzkommandos trieben die Menge zuerst vor sich her, dann kam es zum Einsatz von Schlagstöcken. Die Haltung der Demonstranten war dennoch überaus friedfertig, selbst die prügelnden Polizisten wurden nur in Einzelfällen beschimpft.

Mit der Kampagne gegen Vertreter der Charta im Vorfeld der Demonstration scheint die Regierung damit gerade das Gegenteil dessen erreicht zu haben, was sie wollte. So wußte praktisch jeder Interessierte in Prag im voraus, was geschehen sollte, auch ohne Flugblätter und Anschläge. Eine unbekannte Gruppe von Studenten hatte Briefe an die Bürgerrechtler Vaclav Havel und Dana Nemcova geschickt, in dem sie ihre Selbstverbrennung rechtzeitig zum Jahretag ankündigte. In zahlreichen, über Rundfunksender verbreiteten Aufrufen hatten sich Vertreter der Charta an die Absender gewandt, um sie von dem Vorhaben abzubringen.

Nachdem die vor kurzem gegründete Menschenrechtskommission der CSSR ebenfalls einen Brief der Studentengruppe erhalten hatte, hatten auch die offiziellen Medien Aufrufe gegen die geplante Selbstverbrennung verbreitet. Dies alles hat in den letzten Tagen zu einer spannungsgeladenen Atmosphäre in Prag geführt, die sich nun auf dem Wenzelsplatz entladen hat. Trotz des Einsatzes der Polizei gelang es nicht, die Demonstration schnell aufzulösen, die Menge wich der Polizei stets aus und zerstreute sich trotz mehrmaliger Aufrufe nicht. Die überwiegende Anzahl der Demonstranten waren jüngere Leute. Um die Demo endgültig aufzulösen, wurden schließlich Wasserwerfer aufgefahren. Entgegen der Behauptungen der offiziellen Presse, die Demonstration setze sich hauptsächlich aus Schaulustigen zusammen, scheinen die Teilnehmer sehr wohl zu wissen, worum es geht: „Wir sind gekommen, um für das Recht auf eine eigene Meinung zu demonstrieren und weil wir wissen, was hier vor zwanzig Jahren passiert ist“, erklärt ein älteres Ehepaar. „Wir sind keine Spaziergänger!“

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