: Aushorchung per Umweltkampagne
Fragebogenaktion „Die umweltfreundlichen Haushalte '89“ wird von Wirtschaft gesponsert ■ Aus Düsseldorf J. Nitschmann
Die unter der Schirmherrschaft von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und sämtlichen Landesumweltministern gestartete Kampagne „Die umweltfreundlichen Haushalte '89“ ist ins Zwielicht beraten. Verbraucherzentrale und Grüne sehen in dieser mit einem Preisausschreiben verbundenen Fragebogenaktion eine „Volksaushorchung“ und eine „Volkszählung, zweiter Teil“. Die Fragebogen sollen mit einer Auflage von bis zu 40 Millionen Exemplaren flächendeckend an die bundesdeutschen Haushalte verteilt werden.
Der nordrhein-westfälische Umweltminister Klaus Matthiesen (SPD) hat inzwischen Konsequenzen aus der Kritik an dieser Kampagne gezogen. Er sagte eine für den heutigen Montag in Düsseldorf geplante gemeinsame Pressekonferenz mit den Initiatoren der Aktion - einer in Hamburg residierenden „Aktionsgemeinschaft Umwelt, Gesundheit, Ernährung e.V.“ ab. Begründung: Der Fragebogen in der ihm jetzt vorgelegten Form sei dem Minister zuvor nicht bekannt gewesen. Schirmherr der Aktion wolle Matthiesen dennoch bleiben, erklärte sein Sprecher Thomas König.
Die nordrhein-westfälische Verbraucherzentrale befürchtet, daß es sich bei der Umweltkampagne, die von großen Automobil -, Waschmittel- und Verpackungsproduzenten gesponsert wird, um einen „Etikettenschwindel“ handelt. So tauchten in dem Fragebogen zahlreiche Fragestellungen auf, die mit dem Umweltschutz überhaupt nichts zu tun hätten. Besonders verdächtig ist der Verbraucherzentrale der umfangreiche Fragenblock sieben zum Thema Auto. Inwiefern sei es für den Umweltschutz relevant, wenn die Mitspieler des Preisausschreibens Auskunft darüber erteilen sollten, welche Heckform sie beim nächsten Autokauf bevorzugen würden, fragen die Verbraucherschützer in Düsseldorf. Ihr Justitiar Gerhard Quentin würde eine solche Kampagne für verstärkten Umweltschutz in Haushalten „uneingeschränkt begrüßen, wenn man die Gefahr vermieden hätte, daß eine gewaltige Datensammlung entsteht“.
In dem insgesamt zwölf Komplexe umfassenden Bogen wird bei den Haushalten vom Wasserverbrauch über das Hygieneverhalten bis hin zum Kaufwunsch für das nächste Auto alles abgefragt. Als Teilnahmeanreiz werden einige Autos verlost. Hauptpreis ist ein „Traumwagen“ im Werte von 50.000 Mark, die den Gewinnern von den Umweltministern höchstpersönlich überreicht werden sollen. Teilnehmen kann an diesem Preisausschreiben freilich nur, wer die zwölf Fragenkomplexe beantwortet. Darüber hinaus werden Alter, Geschlecht, Beruf und Größe der Wohnung abgefragt, inclusive der nicht abtrennbaren Adresse.
Die nordrhein-westfälischen Grünen forderten Landesumweltminister Matthiesen auf, seine Schirmherrschaft für diese „Absatzförderungsaktion mit Umweltschutzdeckmantel“ niederzulegen und zugleich den Datenschutzbeauftragen des Landes einzuschalten. „Die von den Firmen Opel, Procter & Gamble, Tetra-Pak, Coop, Commerzbank, AEG, Otto-Versand, Neuform und der IKEA -Stiftung unterstützte Aktion kommt einer Volkszählung, zweiter Teil, nahe“, erklärte der Sprecher der NRW-Grünen, Bernhard Meier. Er forderte die Umweltminister auf, die Haushalte vor dieser Fragebogenaktion eindringlich zu warnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen