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Fenster zum Raum

■ „Fensterbilder“, eine kleine Oskar-Schlemmer-Ausstellung in der Kunsthalle: „Ich komme mir wie ein Jäger vor, der allabendlich auf die Pirsch geht“ (Schlemmer)

„Ich komme mir wie ein Jäger vor, der allabendlich, zwischen neun und zehn Uhr, auf die Pirsch geht.“ Der Jäger heißt Oskar Schlemmer, sein „Jagdgebiet“ war das, was er vom Fenster seiner Wuppertaler Wohnung aus sehen konnte. Die „Beute“, die die Bilder, die Schlemmer von seinen „Pirschgängen“ zurückbrachte, sind Gegenstand einer Ausstellung, die noch bis 5. Februar in der Kunsthalle zu sehen ist (von 9. März bis 28. April im Städel, Frankfurt).

Neben einer Reihe von Stadtansichten aus dem Jahr 1941 wird

eine kleine Gruppe kleinformatiger Bilder gezeigt, die Schlemmer selbst als Serie betrachtete und deren Name, „Fensterbilder“, zugleich Titel der Ausstellung ist. In der ersten Hälfte des Jahres 1942, also ein knappes Jahr vor Oskar Schlemmers Tod entstanden, markieren sie gleichermaßen das Ende und einen Wiederanfang seiner künstlerischen Arbeit.

Nach großen Erfolgen während seiner Bauhauszeit war Oskar Schlemmer von 1932 an Lehrer an den Vereinigten Staatsschulen für Kunst und Kunstgewerbe in Berlin, bis ihn die Nationalsozialisten 1933 entließen. Das darauffolgende Jahrzehnt war geprägt von der Notwendigkeit, sich durch diverse Tätigkeiten finanziell über Wasser zu halten, und einer tiefgreifenden künstlerischen Krise. In den „Fensterbildern“ kehrte Schlemmer zurück zu seinem beherrschenden Thema, dem Problem der Figur im Raum. Diese Kom

positionen mit Personen in Innenräumen, in die der Künstler von seiner Wohnung aus blicken konnte, sind keine Abbildungen, sondern künstlerische Umsetzungen der sichtbaren Welt. Wie sehr die „Fensterbilder“ klar kalkulierte Kompositionen sind, belegen ebenfalls ausgestellte, vorbereitende Bleistift-und Federskizzen, die bis ins Detail die Bildanordnung festlegen.

Glanzstücke der Ausstellung sind zwei winzige „Interieurs“: Nicht mehr als ein paar Farbflecken auf Ölpapier lassen jeweils einen imaginären Innenraum entstehen, von dem Schlemmer meinte, er sei „die reinste Darstellung meiner selbst“. In diesen kleinen Skizzen, die sich scheinbar schwebend auf einem schmalen Grat zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion bewegen, sah er so etwas wie sein zentrales Werk: „Auf so kleinem Raum kann also die Summe einer Lebensarbeit zusammengefaßt und erwiesen werden...“

S.H.

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