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Strom-Sünder wg. Sachzwängen?

■ Stadtwerke: Bebauungsplan Kornhof ließ keine andere Möglichkeit / Billigen Tarif aus Versehen / Kritik vom Energiebeirat: Verbraucherberatung nur Feigenblatt

Jürgen H. Stahrenberg, Geschäftsführer der IMPLA Bauplanungsgesellschaft, ist sich sicher: „Ich habe in der höchsten Etage Gespräche geführt. Und die Stadtwerke haben die Zusage gemacht, daß es so bleibt.“ Was da so bleiben soll, ist eine von den Stadtwerken gebilligte Energieverschleuderung zu Sonderpreisen. Eine ganze Einfamilienhaussiedlung in der Bremer Neustadt, genannt Kornhof, soll mit Strom beheizt werden, der auch noch um etwa ein Drittel günstiger im Verhältnis zum Haushaltstarif abgegeben wird (vgl. taz vom 16.1.89).

Für den Pressesprecher der Stadtwerke, Wies, ist die Stromheizung für den Kornhof „ein Versehen, das so nicht mehr passieren würde“. Noch im September des vergangenen Jahres hätten die Stadtwerke versucht, die Planungen auf eine Gasheizung umzustellen. Warum das nicht mehr ging? „Es sind in der Baugenehmigung Dinge genehmigt wor

den, die eine Gasheizung unmöglich machen.“ So wird unter das gesamte Gelände eine Tiefgarage gelegt und in einer solchen genehmigt die Feuerwehr laut Wies keine Gasleitungen. Außerdem ist die Baunutzungsverordnung bis an den Rand der Zulässigkeit interpretiert worden, damit Stahrenberg möglichst viele Häuser errichten und verkaufen kann. Kaum mehr Platz also für einen Schornstein, da die neuen Häuser bis auf wenige Meter an die vorhandene Bebauung heranreichen.

Wenn nun der Bebauungsplan tatsächlich eine Gas-oder eine umweltfreundlichere Beheizung nicht zuließe, warum gewähren die Stadtwerke dem Bauherrn den Sonderspartarif, der eigentlich nur eingeführt worden war, um zum Beispiel den Betrieb von Wärmepumpen oder Solaranlagen zu erleichtern? Laut Wies hatte der zuständige Sachbearbeiter bereits eine Zusage gegeben, die nachher nicht mehr rückgängig zu machen gewesen sei. Nach

einer solchen Zusage könne man sich der Versorgungspflicht nicht entziehen. Auch daß eine extra Trafo-Station für den Kornhof gebaut werden muß, bestätigte Wies. Eine neue Station sei aber sowieso notwendig gewesen, und die Kosten dafür betrügen lediglich 60.000 Mark.

Der Mitarbeiter des Bauordnungsamtes weiß auch, daß es sich bei einer Stromheizung „um die teuerste Energieform“ handelt. Das Bauordnungsamt habe aber keinerlei Möglichkeiten, eine Genehmigung zu versagen, wenn die Stadtwerke den Strom liefern wollen.

Das Thema Stromheizungen hatte vor wenigen Wochen auch beim Bremer Energiebeirat eine Rolle gespielt. Damals war dem Experten-Gremium von Seiten der Stadtwerke versichert worden, die Stadtwerke würden solche Heizungen nur noch nach intensivster Beratung des Kunden genehmigen. Jürgen Franke, Geschäftsführer des BEB, hat des

halb bei der Verbraucherbera tung der Stadtwerke nachgefragt. Deren Auskunft: Der Bauherr des Kornhofs ist dort nie beraten worden. Franke: „Man könnte folgern, daß die Verbraucherberatung nur Feigenblatt für Stromverkaufspolitik ist.“ Das Argument, wegen der engen Bebauung und der Tiefgarage sei eine Gaszentralheizung nicht möglich gewesen, mag Franke nicht gelten lassen: „Man hätte in der Garage nur fünf bis sechs Stellplätze weglassen müssen, dann wäre Platz gewesen.“ Die Sachzwangargumentation der Stadtwerke überzeugt Franke nicht: „Ich habe die Sorge, daß man doch bereitwillig Kunden anschließt, da es kein Stromwachstum gibt.“

Mögliche Folgen solcher Projekte: Die Spitzenlastkurve wird hochgetrieben. Im Winter kann es zu Stromengpässen kommen. Das erschwert die Kündigung des Atomstromvertrages und gibt Argumenationshilfe für den Bau weiterer Kraftwerke.

hbk

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