: Standbild: Widerspruch ausgespart
■ "Ein Jahr nach der Ausbürgerung"
(„Ein Jahr nach der Ausbürgerung“, 15.1., ARD, 21.55 Uhr) Anfang Februar 1988 kamen zwei der bekanntesten Symbolfiguren aus der DDR-Friedensbewegung unfreiwillig in den Westen. Das Künstlerehepaar Freya Klier und Stefan Krawczyk, vor die Alternative gestellt, DDR-Knast oder Westen, entschieden sich für die Ausreise. Ein Jahr später hat sie Uwe Heitkamp mit der Kamera in ihrer neuen Westberliner Heimat beobachtet.
Stefan Krawczyk, mit dem sich der Beitrag hauptsächlich beschäftigt, scheint seine jetzige Situation eher zu entspannen. Er habe doch die Medien nicht gesucht; der Zustand als Symbolfigur im Osten „war ein krankhafter“. Nun könne er endlich Freiheiten nutzen, auf der Bühne stehen und mit Menschen reden. Er strahlt, als er von seinen Reisen erzählt, von Amsterdam bis Portugal mit dem Auto, von einer Segeltour auf dem Atlantik. Krawczyk sieht man in seiner karg eingerichteten Kreuzberger Wohnung, sieht ihn mit seinem Sohn an dieser Seite der Mauer spielen, hört ihn Liedtexte rezitieren und begleitet ihn auf Tournee.
Sehr viel distanzierter der Versuch, sich der Theaterregisseurin Freya Klier zu nähern. Zwar wird auch sie an ihren Arbeitsplatz begleitet, auf Spaziergängen gefilmt, aber offenbar will er von ihr eher die politische als die persönliche Befindlichkeit wissen. Freya Klier sagt ihm in die Kamera das, was sie in ihrem Buch „Abrißkalender“ schrieb: Sie kritisiert die deutsche Linke ob ihrer Blauäugigkeit der DDR gegenüber, beklagt deren Einäugigkeit, wenn es um Regimes wie das rumänische geht, über das sie gerade ein Stück einstudiert.
Zu glatt präsentiert der Film die „politische“ Freya Klier und den „privaten“ Stefan Krawczyk. Gefehlt hat mir die Information über und die Konfrontation mit der Kritik an dem Prominentenpaar. Daß sie sich zu schnell in den Westen abgesetzt hätten, daß sie wegen ihres Bekanntheitsgrades mehr Möglichkeiten gehabt hätten, in der DDR etwas zu verändern, ist ihnen von Teilen der Friedensbewegung oft vorgeworfen worden. Ob diese Kritik berechtigt ist oder nicht, sei dahingestellt - nur gehört hätte man sie gerne dazu. Das Paar weitgehend als sympathische Zeitgenossen, die vor einem Jahr aus dem Osten kamen, zu präsentieren, spart Widersprüche aus und tut ihnen gerade damit Unrecht.
Rita Hermanns
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