: Eurozentrische Arroganz-betr.: "Auch die Rocklänge bestimmt der Vater", taz vom 11.1.89
betr.: „Auch die Rocklänge bestimmt der Vater“,
taz vom 11.1.89
Bravo, endlich haben die Herren Journalisten Frauenthemen für sich entdeckt. Und nicht nur über die Frau in unserer Gesellschaft wissen sie bestens Bescheid, sondern sogar über die Frauen anderer Kulturen. Schminke, Minirock und schockfarbene Pumps; das macht den selbstbewußten Teenager aus. Das ist genau das, worum die Frauenbewegung seit Jahrzehnten kämpft. Alles, was mit dem „Zwangskorsett“ Islam zu tun hat, ist brutal und zurückgeblieben, dem Reich des Bösen entstiegen, während die Rolle der europäischen Frau im Glanz der Freiheit erstrahlt. Und nicht nur, daß der islamische Mensch hoffnungslos dem modernen Leben hinterherhinkt, nein, fremdenfeindlich sind sie auch noch. Der Artikel hat doch nun wirklich gezeigt, daß diese Leute sich eigentlich schämen sollten, aus solchen Kulturen zu kommen. Bewiesen hat diese Reportage auch die außerordentliche kulturelle Feinfühligkeit des Autors; ich bin beeindruckt.Hoch lebe die westliche Überlegenheit.
Silke Mertins, Frankfurt
(...) Vielleicht sollten wir uns erinnern: Es gab einmal eine Zeit, in der Feministinnen den herrschenden Idealen von Schönheit und Eleganz nachwiesen, daß sie Mittel männlich -chauvinistischer Gehirnwäsche waren, um Frauen in ihrem „goldenen Käfig“ zu halten. Es gab auch einmal Black Power, Black Consciousness und eine Kritik am Brainwhitewashing, an schwarzen „follow-fashin monkeys“ (Bunny Wailer), am neokolonialen Kulturimperialismus, der den Nicht-Euros das Eigene vermiest, um sie dann mit seinen Soft- und Hard-wares zu beglücken.
Angesichts der heutigen Lage im Westen, wo das Patriarchat wieder fest im Sattel sitzt, wo die Massenmedien die Geschlechterrollen in Uraltmodellen mit ein bißchen Neo -Emanzo-Styling verkaufen dürfen, ist es etwas anmaßend, den versklavten Nicht-Euro-Schwestern ein paar westlich -feministische Errungenschaften zusammen mit dem ganzen West -Rest anzupreisen.
Ich meine, daß die afrikanischen Frauen bewiesen haben, daß sie kämpfen können. Sie werden ihren eigenen Weg suchen und finden, um ihre Probleme und die Probleme ihrer Gesellschaft zu lösen. Sehr wahrscheinlich, daß dabei auch „afrikanische Feminismen“ entstehen; aber das wären dann Eigenleistungen, keine Importe.
Frank Ballot vergießt für Afrikanerinnen Tränen und zerbricht sich den Kopf. Warum denkt er nicht über seine eigene eurozentrische Arroganz nach oder darüber, wie man den Endsieg des Wende-Europa verhindert? Die afrikanischen Frauen jedenfalls sind keine Demonstrationsobjekte, die WestlerInnen mit gutem Gewissen benutzen dürfen, um sich ihre relative Emanzipiertheit zu beweisen.
H. Umlungu, Hamburg
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