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Ganze Wahrheit vom Polizei-Drama

■ Führungsbeamter der Bremer Polizei schildert Versagen der Einsatzleitung beim Geiseldrama / „Sozialdarwinistische“ Cliquenkämpfe in der Polizeispitze

In hanseatischer Zurückhaltung äußerte sich gestern der frühere Innensenator Kröning vor dem Geiselausschuß. Es ging immer noch um die Grundsätze der polizeilichen Führungsarbeit. War es vertretbar, daß die politisch verantwortlichen Vorgesetzten des Kripo-Chefs Möller zu ihm in die Einsatzzentrale kamen und ihn bei seiner Arbeit beobachteten? „Ich habe von meinem Vorgänger gelernt, das nicht zu tun“, erklärte Kröning. Auch den verantwortlichen Polizeipräsidenten (Diekmann) wollte Kröning nicht direkt angehen. „Schwierig, aber konstruktiv“ sei die Zusammenarbeit mit dem älteren, mittlerweile pensionierten Polizeipräsidenten Diekmann gewesen, und „im übrigen hat natürlich ein Jüngerer bei einem Älteren eine Planung für danach“.

Völlig ungeschminkt redete dagegen der Führungsbeamte der Schutzpolizei, Hartmut Schmöe, von den Mängeln in diesem Einsatz. Der Polizeiführer Möller, so gab Schmöe es dem Ausschuß schriftlich, habe „offenbar nicht verstanden“, welche Aufgabe und welchen Sinn ein Führungs

stab habe. Möller habe „an allen für ihn interessanten Fronten selbst“ agiert, bis hin zu Arrangements zu einer Pressekonferenz zu einer Zeit, als die Geiselnehmer auf dem Weg nach Bremen waren. Völlig unvorbereitet sei abends um 18.58 Uhr die Einsatz-Verantwortung auf Möller übergegangen, erst um 19.30 sei ein „Einsatzabschnitt“ in vor Ort Huckelriede eingerichtet worden. Der SEK-Leiter habe sich aber nicht vor Ort, wo er hin gehört, sondern im Lagezentrum befunden.

Seitenlang führte Schmöe auf, was ein „wirklicher Polizeiführer“ zu tun gehabt hätte und was Möller tat. „Möglicherweise war er Verbindungsbeamter zur Polizeiführung in Gladbeck“, schreibt Schmöe sarkastisch, „vielleicht war er aber auch Notrufsprecher“, zumindest habe er Anrufe bremischer Autovermieter auf „110“ selbst entgegengenommen. Gleichzeitig hatte die Notrufzentrale keine Ahnung, was sie tun mußte, wenn die Geiselnehmer anrufen würden. Wie ein „Verbindungsbeamter zur Verhandlungsgrupe“ habe er 30

Minuten lang Telefongespräche mitgehört, anstatt sich kurz berichten zu lassen. Seine Aufgabe als Polizeiführer jedenfalls habe er nicht wahrgenommen - „diese Einschätzung wird von allem im Lagezentrum anwesend gewesenen Beamten geteilt“, behauptet Schmöe. Und da nicht einmal geregelt worden war, auf welchen Kanälen die Einsatzleitung ihre Anweisungen funkt und wo die Beamten vor Ort ihre Gespräche führen konnten, sei das Funk-Chaos perfekt gewesen: „Jeder Beteiligte benutzte den Führungskanal.“

Von dieser vernichtenden Kritik am Kripo-Leiter Möller und an den Führungsstrukturen sei „95% falsch“, meinte ein Möller-Vertrauter am Rande der Ausschuß-Sitzung. Das Polizeihaus sei von sozialdarwinistischen Verhaltenssweisen von zu kurz Gekommenen bestimmt. Das schlechte Bild, das sich von der Polizei ergeben müsse, sei immer noch nicht die ganze Wahrheit.

Schmöe hofft, trotz seiner Aussage in der Führungsspitze der Bremer Polizei weiterarbeiten zu können.

K.W.

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