Das fällige Duell wird nachgeholt

■ Die "Republikaner" zwischen CDU und NPD / Konservative Gemenge-Lage vor dem 29.Januar

Es geschah an einem Sommerabend im Jahre 1987. Die geteilte Stadt feierte seit Monaten ihren 750.Geburtstag. In Ost und West stand alles gut im Saft, und die regierende CDU hätte sich ob des weltoffenen Images der Metropole eigentlich zufrieden auf die Schulter klopfen können.

Trotzdem zermarterten sich einige Kader der Partei seit Wochen das Hirn. Ihrer aller Vorsitzender, der Regierende Bürgermeister Diepgen, mußte den moderner gewordenen Zeiten ein Opfer bringen: hinter der Mauer groß geworden, sollte er drüberspringen und Honecker die Hand schütteln, als ob die DDR nie in Anführungszeichen gesetzt worden wäre. Bei diesem Gedanken mußten auch hartgesottene Politprofis erst einmal schlucken.

An jenem Berliner Sommerabend gingen einige CDU-Leader, unter ihnen einer der Bundestagsabgeordneten, einen schweren Gang. In einem der für seine Rechtslastigkeit bekannten CDU -Bezirke hatte sich die Basis versammelt, um sich den Mauersprung erklären zu lassen. Ein CDU-Mitglied erinnert sich: „Für viele brach an diesem Abend eine Welt zusammen. Es wurde protestiert und gebrüllt. Der Parteivorstand kam in echte Schwierigkeiten.“ Der Abend, an dem sich der eiserne Vorhang öffnen sollte, endete dramatisch. Ein Mitglied der Jungen Union, der in einer schlagenden Verbindung focht, wütete den Parlamentarier hocherregt an: „Ich fordere Sie zum Duell, Sie Verräter!“ Der Bundestagsabgeordnete, wie Diepgen und Generalsekretär Landowsky zu seiner Studentenzeit ebenfalls Mitglied einer schlagenden Verbindung, schüttelte den Kopf. Das Duell findet jetzt doch statt: am 29.Januar dieses Jahres, in den Wahllokalen.

Denn wenige Wochen nach diesem Ereignis, am 5.September 1987, wurde der Landesverband der rechtsextremen Republikaner gegründet. Kurze Zeit später traten über 50 Mitglieder der Schüler-Union, der Jungen Union und der CDU in die neue Partei ein:

Von der Schüler-Union liefen der Landesvorsitzende Wolfgang Fenske und sein Stellvertreter Andreas Galau über,

von der Jungen Union kamen der Tiergartener Bezirksvorsitzende Carsten Pagel und der Tempelhofer Kreisvorständler Wolfram Hübner,

und von der Mutterpartei wechselten außer vielen weniger Bekannten etwa auch Uwe Witt, BVV-Abgeordneter aus Charlottenburg, und der Reinickendorfer Aktivist Andreas Dohmeyer das Parteibuch.

Die Zeit der Schmach, des Verrats und der „liberalen Weicheier“ (JU-Jargon) schien vorüber.

„Seit Anfang der achtziger Jahre war jedem CDUler, der was von Politik verstand, klar, daß es in dieser Stadt keine strukturelle Mehrheit für die Partei gibt“, erläutert ein CDU-Funktionär die „neue Politik“ der Konservativen. „Die Überlegung war, daß es nur eine konjunkturelle Mehrheit geben könne.“ Konkret: Ihr Image als „Mauerpartei“ mit „Betonfraktionen“ mußten die Christdemokraten abschütteln, um Wahlen gewinnen zu können. Das haben sie getan - und waren damit schon 1984 erfolgreich.

Doch weite Teile der Basis kamen und kommen bei der Liberalisierung nicht ganz mit. Zentrale Bedeutung hat noch immer Diepgens Ostbesuch, der zwar zunächst verschoben wurde, aber im Frühjahr '88 denn doch stattfand. Auch der Abgang des Innensenators Lummer, der über frühere Kontakte mit der NPD stolperte, blieb für viele unverständlich. Und für dauerhafte Unruhe sorgte die in den Augen des traditionellen Parteivolkes unverständlich liberale Abschiebepraxis von Asylbewerbern.

Das führt bis heute zu peinlichen Szenen vor allem durch die ungeduldigen Youngster der Partei. Eben hat Diepgen noch öffentlich versichert, die CDU Berlin sei eine „liberale Großstadtpartei“, da erscheint im JU-Blatt 'Klartext‘ ein verherrlichendes Porträt des Nazifliegers Rudel, setzt sich der JU-Landesvorsitzende Gunnar Sohn in die Nesseln, weil er sich vom Botha-Regime eine Reise nach Südafrika finanzieren ließ, werden wiederholt „Sieg Heil„-Rufe auf JU-Veranstaltungen laut.

Um dieses Dilemma der CDU wissen die Republikaner nur zu gut. Schließlich hat die Mehrheit der 300 eingeschriebenen Mitglieder ihre Hausaufgaben in der großen Volkspartei gemacht. Die große Absahne an der rechten CDU-Basis ist den Reps bisher aber nicht gelungen. Um das zu schaffen, bräuchten sie die entsprechende Integrationsfigur: Heinrich Lummer.

„Wenn Lummer zu uns kommt, kann er sofort Landesvorsitzender werden!“ schmeichelte der ehemalige REP -Landesvorsitzende Klaus Weinschenk noch im letzten Jahr. Weinschenk, auch Mitglied der erzkonservativen „Notgemeinschaft für eine Freie Universität“, ist bei den REPs inzwischen abgemeldet, weil er, nicht unrealistisch, gegen eine Teilnahme bei den Abgeordnetenhauswahlen votierte. Die Hofierung Heinrich Lummers wurde jedoch fortgeführt. In einem Radio-Wahlspot der Republikaner wurde Lummer als „einziger Konservativer“ in der CDU bezeichnet. Erst vor zwei Wochen gab die REP-Zentrale in München bekannt, daß sich der ehemalige Innensenator mit dem Chef der Republikaner, Franz Schönhuber, zu einem Gespräch getroffen und sie „weitgehende Übereinstimmung in Fragen der Asyl-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik festgestellt“ hätten. Weitere Gespräche seien geplant.

Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang nicht, daß solche Gespräche stattfinden - bemerkenswert ist, daß sie bekanntgemacht werden. Eine gezielte Indiskretion der REPs, um Lummer in der CDU zu desavouieren? Wohl kaum.

Beiden ist damit gedient. Zum einen machen solche Kontakte die REPs hoffähiger, zum anderen stärken sie Lummers Position in der CDU. Mit solchen Kontakten signalisiert der CDU-Bundestagsabgeordnete, daß er auch woanders Karriere machen könnte. Die CDU aber braucht Lummer, um das reaktionäre Wahlvolk bei der Stange zu halten. Zwar wurde Lummer nach Bekanntwerden des Treffs ein bißchen ausgeschimpft; doch einen Bruch mit ihm wird niemand riskieren. Im Gegenteil: Lummers „Drohgebärden“ festigen allem Anschein nach seine Leader-Rolle am rechten Rand der CDU, auch wenn einige WählerInnen am 29.Januar ihre Leihstimmen den REPs geben.

Am republikanischen Spieltisch pokert aber nicht nur Heinrich Lummer. Die NPD, in Berlin zur Wahl nicht zugelassen, stieg letzte Woche ebenfalls ein. Die REPs hätten ihr Wahlprogramm bei ihnen abgeschrieben und deswegen seien sie für alle Nationaldemokraten wählbar, hieß es in einer Presseerklärung der Rechtsextremisten. Wo einflußreiche Christdemokraten schon betonen müssen, daß die Republikaner demokratisch sind, um ihre rechte Klientel nicht zu verärgern, will sich die NPD von rechts dranhängen; schließlich bestünden programmatische Identitäten. Die nächste Klage der NPD, in der sie mit Hinweis auf die zugelassenen REPs ihre eigene Kandidatur durchsetzen wollen, ist nur eine Frage der Zeit.

Zwar hängt die Entstehungsgeschichte der Republikaner eng mit der innerparteilichen Krise der CDU zusammen - bei den REP tummeln sich aber nicht nur frustrierte Christdemokraten. Den Traum einer neuen rechten Sammlungspartei träumen auch knallharte Neonazis. Recherchen des Berliner 'Antifa-Jugendinfo‘ ergaben, daß der stadtbekannte Neonazi Mario Dombrowski zumindest in der Gründungsphase bei den REP aktiv war. Ein Foto, das ihn mit dem damaligen Vorsitzenden Weinschenk zeigt, leitete allerdings Dombrowskis Abgang ein, weil sich die REPs den Neonazi nicht mehr leisten konnten.

Über den tatsächlichen politischen Umgang der REPs mit Neonazis sagt das aber noch nichts aus. So war der jetzige Landesgeschäftsführer der Republikaner, Rudolf Kendzia, lange Zeit exponiertes NPD-Mitglied, und der Nazi-Autor Wolfgang Wilkening, Redakteur der neofaschistischen Jugendzeitung 'Sieg‘, wurde noch im November '88 als Wahlkampfhelfer der REPs in Reinickendorf identifiziert.

Die Chancen für die Republikaner, in Berlin die Fünf -Prozent-Hürde zu überspringen, sind ohne Lummer denkbar schlecht. Daß sie aber als einzige Rechtsaußen-Partei antreten, also außer Konkurrenz kandidieren, macht sie für die heimatlose Berliner Rechte - vom Neonazi bis zum enttäuschten Wende-Wähler - als Plattform interessant, und sei es nur, um mit ein, zwei oder drei Prozent der Stimmen politisch-programmatischen Druck auf die CDU auszuüben. In Bremen erlebten die REPs einen sang- und klanglosen Abgang, weil dort die NPD-unterstützte „Deutsche Volksunion“ in die Bürgerschaft rutschte. Dieses Ende wird den BerlinerInnen wohl kaum beschieden sein.

Claus Christian Malzahn