piwik no script img

„Slap a JAP“ - Neuer Antisemitismus in den USA

■ Witze, Karikaturen, Graffitis verhöhnen jüdische Frauen als „JAP“ (Jewish American Princess) / Frauenfeindlichkeit verbindet sich mit den klassischen Attributen des Antisemitismus / Betroffen sind vor allem jüdische Studentinnen an den Ostküsten-Universitäten / Die kritische Öffentlichkeit wacht erst allmählich auf

Grußkarten mit „JAP„-Jokes dienen New Yorker Andenken- und Buchläden bisweilen als Dekoration. Auf ihnen wird der Leser zum Beispiel nach dem Unterschied zwischen einer JAP und einem Geier gefragt. Die lapidare Antwort: „Nagellack“. Auf einer anderen Grußkarte wird nach einer Erklärung für 49 JAPs gesucht, die mit dem Gesicht nach unten im Fluß treiben. Auf der Umschlagseite steht dann die Erklärung: „Es ist ein Anfang.“ Die Frage nach der Gemeinsamkeit von JAP und Pizza wird wie folgt beantwortet. „Beide gehören in den Ofen.“

Das Akronym „JAP“ steht für „Jewish American Princess“ und ist ein seit Jahrzehnten geläufiges Stereotyp. Zu Beginn noch eine vergleichsweise harmlose Etikettierung für die als verwöhnt geltenden Töchter aufstrebender jüdischer Einwanderer, wandelte sich dieses Emblem im Laufe der Zeit in ein frauenfeindliches und antisemitisches Hetzwort. Opfer dieser Diskriminierung sind vor allem Studentinnen an Universitäten der amerikanischen Ostküste.

Kreiert wurde die JAP in der Literatur der fünfziger Jahre von den jüdischen Romanautoren Herman Wouk und Philip Roth. Vergleichsweise wohlwollend porträtiert Wouk die JAP Margorie Morningstar in seinem gleichnamigen Bestseller: Sie ist Tochter wohlhabender Eltern, sie sieht gut aus und ist stolz auf ihre goyische Erscheinung; Männer werden frigide abgewiesen, Sexualität ist ihr ein Greuel. Sie streckt sich noch nach finanzieller Unabhängigkeit, aber ihre zaghaften Emanzipationsversuche enden schließlich bei Kindern und koscherer Küche.

In Philip Roths Novelle Goodbye, Columbus wird die JAP Brenda bereits negativ gezeichnet: materialistisch, machthungrig, eingebildet und überaus faul. Sie leugnet ihre jüdische Abstammung, die Nase hatte sie sich richten lassen.

In den heute zahlreich veröffentlichten Witzen, Cartoons, Grußkarten hat sich die JAP, die Wouk noch als recht liebe und zugleich naive Prinzessin beschreibt, in eine machthungrige, ausschließlich an Geld und Kleidern interessierte Kreatur verwandelt.

Eine Untersuchung des Soziologen Gary Spencer berichtet von Graffitis in Toiletten und Bibliotheken einer Universität im Staate New York, die Aufforderungen enthielten wie „Slap a JAP“ (verhau 'ne JAP). Gleich nebenan standen Schmierereien wie „Hitler was right“ oder „give Hitler a second chance“. Eine andere Sudelei propagierte die Sterilisation der JAPs. Spencer fand heraus, daß innerhalb der Universität inoffizielle „JAP-free-zones“ existierten, jüdische Studentinnen galten hier als unerwünscht.

Nach der Veröffentlichung dieser Untersuchung im letzten Jahr wachten jüdische Organisationen endlich auf. Die Bürgerrechtsorganisation „Anti-Defamation-League“ und die Studentenorganisation „Hillel“ begannen mit Nachforschungen über das Ausmaß der Diffamierungen. Ähnliche Beobachtungen konnten dann auch an anderen Universitäten gemacht werden: Gerade Hochschulen mit besonders hoher Quote jüdischer Studenten wiesen das Phänomen der „JAP-baiting Epidemie“ auf, wie Spencer seine Beobachtungen inzwischen nannte.

Jüdische Feministinnen fanden selbst in Andenkenläden einiger Synagogen Kinder-T-Shirts mit dem Aufdruck „JAP-in -Training“. Daneben wurden auch „Bunny Bagelman„-Postkarten verkauft: Bunny Bagelman trägt die Züge des häßlichen Juden mit großer Nase, wulstigen Lippen, Kraushaaren. Sie wird in der Pose des „faulen Parasiten“ gezeigt, sie befeilt gelangweilt ihre Fingernägel oder schwenkt Papis Kreditkarte. Rabbis mußten mühsam davon überzeugt werden, daß „Bunny Bagelman“ einfach nicht mehr zum Lachen ist. Denn in den sich harmlos gebenden JAP-Witzen verbindet sich Frauenfeindlichkeit mit klassischem Antisemitismus: In den typischen JAP-Attributen sind eben auch diejenigen Merkmale enthalten, die seit Jahrhunderten zu Diffamierung und Verfolgung geführt haben. Neu an der aufgezeigten Entwicklung ist, daß die JAP als Jüdin den Juden als klassischen Sündenbock ersetzt hat. Dem antisemitischen Mythos entsprechend ein „Parasit“ der Gesellschaft: materialistisch, gefühlskalt, machthungrig, faul und falsch. Lange Zeit salonfähig

Daß Judenhetze sich erstmals nicht mehr hauptsächlich gegen Männer richtet, sondern Frauen verleumdet, mag dazu beigetragen haben, daß „JAP-Jokes“ über Jahre hinweg als salon- beziehungsweise campusfähig galten. Und hieran hatten jüdische Männer einen nicht zu übersehenden Anteil. Schließlich hatten sie die JAP nicht nur kreiert, sondern das Negativbild auch bereitwillig kolportiert. Viele in Studentenzeitungen abgedruckte boshafte Verspottungen stammten aus der Feder jüdischer Kommilitonen. Aus diesem Grund klagt Susan Weidman Schneider, Herausgeberin des feministischen Magazins 'Lilith‘, jüdische Männer an, Jüdinnen nicht nur nicht vor verletzenden Angriffen zu schützen, sondern mitverantwortlich für die Diffamierungen zu sein. Dafür gibt sie folgende psychologische Erklärung: In den Vereinigten Staaten könnten Juden auf beeindruckende Erfolge zurückblicken. Innerhalb weniger Generationen wurden aus den Nachkommen hungriger und verarmter Einwanderer erfolgreiche Ärzte, Rechtsanwälte, Geschäftsleute usw. Und erstmals hätten in der jüdischen Geschichte auch Frauen an diesem Aufstieg teilgehabt. Trotzdem oder gerade deshalb fühle sich die heutige Generation unsicher. Sie habe diffus Angst davor, daß ihr der materielle und auch idelle Erfolg wieder einmal streitig gemacht werden könne. Einige Männer reagierten dann erstmal erleichtert, wenn nicht sie, sondern „nur“ ihre Frauen als Prototyp des häßlichen und reichen Juden karikiert würden.

Und schließlich gebe dieses Verhalten Nichtjuden die Legitimation, dem eventuell latent vorhandenen Antisemitismus nun freien Lauf zu lassen. Wenn selbst Juden die eigenen Frauen mit herbem Hohn und Spott traktierten, könne sich antisemitische Hetze schneller und ungehemmter ausbreiten. Infizierte Justiz

Wie wirkungsvoll das Klischee der JAP auch in der Justiz ist, prangerte kürzlich die Rechtsanwältin S.Frondorf in ihrem Bestseller Death of a Jewish American Princess an: Die Jüdin Elena Steinberg war nach 15jähriger Ehe von ihrem Ehemann brutal mit 26 Messerstichen ermordet worden. Nach kurzer Gerichtsverhandlung verließ Steve Steinberg als freier Mann den Gerichtssaal. Nicht Steinberg, der Mörder, sondern die ermordete Elena saß als JAP auf der Anklagebank: Sie habe sein Geld mit vollen Händen ausgegeben, sie habe ihn mit schriller Stimme zur Arbeit angetrieben, habe ständig an ihm herumgenörgelt und sich auch noch im Bett verweigert. Verständnis fanden die Schöffen dafür, daß Steinberg nach jahrelangem „Martyrium“ zugestochen hatte.

Nachdem auch mehrere etablierte Zeitungen wie zum Beispiel die 'New York Times‘ das Thema und die damit verbundene Problematik des „JAP-baiting“ aufgegriffen haben, wird die „Harmlosigkeit“ der einschlägigen Witze und Karikaturen öffentlich immer mehr in Frage gestellt. Inzwischen sind die üblen Schmierereien in Bibliotheken und Klos überpinselt worden. Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen wurden organisiert, unter anderem wurde gefordert, die Bezeichnung „JAP“ einfach aus dem Vokabular zu streichen. Hierauf reagierte auch schon die Studentenzeitung 'MOO‘ der von Spencer zitierten Universität. Die Herausgeber kündigten an, auf die Bezeichnung „JAP“ künftig verzichten zu wollen und statt dessen die betreffenden Frauen einfach als das zu bezeichnen, was sie ihrer Meinung nach auch tatsächlich sind: nämlich kindische, häßliche und neurotische Schlampen.

Ursula Reinhart-Döring

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen