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Zwanzig Wasserwerfer gegen einen Prager

Ein Blumenstrauß ist Anlaß für brutalen Polizeieinsatz  ■  Aus Prag Klaus Bachmann

Nachdem die 14 Festgenommenen vom Montag auch am Dienstag abend noch nicht wieder auf freiem Fuß waren, ist die Prager Polizei offenbar selbst dazu übergegangen, Demonstrationen in Szene zu setzen. Nur so lassen sich die Ereignisse erklären, die sich Dienstag abend auf dem Wenzelsplatz ereignet haben. Kurz nach 17 Uhr versuchte ein etwa 20jähriger Mann nach Aussage eines Augenzeugen ein Blumengebinde vor dem Wenzelsdenkmal niederzulegen. Zu dieser Zeit war der Platz kaum noch von Polizisten bewacht, einige Beamte standen um das Denkmal herum. Der Versuch, die Blumen niederzulegen, führte dazu, daß innerhalb kürzester Zeit rund 20 Mannschaftswagen mit behelmten und mit Knüppeln ausgerüsteten Polizisten auf dem Platz erschienen. Die Polizisten sprangen aus den Wagen, und über Lautsprecher kam die Aufforderung, den Platz zu verlassen.

Um diese Zeit ist der Platz jedoch außerordentlich belebt, da die meisten Prager dann von der Arbeit nach Hause gehen und in der Umgebung des Platzes mehrere U-Bahn- und Straßenbahn-Haltestellen liegen. Zusammen mit den Einsatzwagen der Polizei, die auch mit Reisebussen auffuhr, waren mehrere Wasserwerfer angekommen. Viele Passanten pfiffen und buhten, da schließlich niemand verstand, wogegen sich der Polizeieinsatz richtete.

Aus Mangel an Demonstranten schickten die Wasserwerfer ihren Strahl in die Menge. Dabei geriet ein Wasserwerfer außer Kontrolle und kippte sein Wasser auf die Straße, was wiederum den Beifall der Menge auslöste und die Stimmung anheizte. Schließlich begannen die behelmten Einheiten den Platz zu räumen. Augenscheinlich wurde dabei niemand verletzt, allerdings wurden mehrere Personen festgenommen. Durch den Polizeieinsatz mitten in der Prager Rush-hour entstand das aus den Vortagen bekannte Verkehrschaos.

Kurz nach sechs Uhr abends, als sich die Polizei bereits zurückgezogen hatte, formierte sich plötzlich ein Zug von etwa 50 Jugendlichen, die zum Wenzelsdenkmal zogen und dabei „Svobodu, svobodu“ und „Wir wollen Dubcek, wir wollen Havel“ riefen. Sofort fuhren die Polizeifahrzeuge wieder auf den Platz zurück und räumten erneut, diesmal mit Wasserwerfern, Hunden, Tränengas und Knüppel.

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