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Berlin: Spitzel entzweit Ausschuß

Der parlamentarische Untersuchungsausschuß zum Skandal um den Verfassungsschutz legt seinen Zwischenbericht vor / Unterschiedliche Voten der Opposition und der Regierungskoalition  ■  Aus Berlin Wolfgang Gast

Für die Berliner SPD und die Alternative Liste steht nach der Vorlage des Zwischenberichtes des Untersuchungsausschusses fest: Der SPD-Parlamentarier Erich Pätzold wurde vom Berliner Verfassungsschutz (VfS) gezielt nach seinen Kenntnissen über Interna des VfS ausgeforscht. Sie forderten die Rücktritte von Innensenator Kewenig, von Staatssekretär Müllenbrock und von VfS-Chef Wagner. In der Pressekonferenz, in der gestern der 40seitige „Sachbericht“ zur Bespitzelung des Mitarbeiters der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Pätzold, veröffentlicht wurde, erklärte SPD-Ausschußmitglied Gerhard Schneider, der VfS habe den Abgeordneten Pätzold „vor sätzlich gegen Entgeld ausfor schen lassen“.

Der CDU-Abgeordnete Manfred Preuß zog dagegen „exakt das Gegenteil“ als Fazit des Zwischenberichtes. Er verteidigte die angeschlagene Spitzelbehörde und nannte die Bewertung des SPD-Vertreters den plumpen Versuch, „eine in sich zusammenbrechende Kampagne zu retten“. Er versuchte weiter, die erwiesene Bespitzelung Pätzolds mit dem Hinweis abzuwerten, der SPD-Mann hätte die Vorgänge in der geheim tagenden PKK zur Sprache bringen können. Pätzold, der nicht mehr kandi diert, habe „zum Abschied seiner Karriere diesen Vorgang aufge bläht“.

Über den Sachbericht hinaus, der von allen Fraktionen im Ausschuß mitgetragen wird und im wesentlichen die bekannten Ergebnisse des Untersuchungsausschusses enthält, wollte Preuß zu den Besuchen des 24jährigen V-Mannes Telschow bei Erich Pätzold keine Wertung abgegeben. Peinlich gerieten die Ausführungen des CDUlers, als er die Bespitzelung des SPD -Mannes durch den V-Mann ins Lächerliche ziehen wollte: „Ich hätte mir vorgestellt, daß da eine flotte Agentin hätte mehr erreichen können.“

Wie der Ausschußvorsitzende Finkelnburg betonte, sind im gemeinsam getragenen Sachbericht nur die Tatsachen aufgeführt, „die wir einvernehmlich ermittelt haben“. Darunter fallen auch die Aussagen, die bestätigen, daß das Berliner Landesamt von den Besuchen Telschows beim PKK -Mitglied informiert wurde und die Akten vom Amtsleiter Dieter Wagner gegengelesen wurden. Als wesentliches Ergebnis der fünf Ausschußsitzungen zum Fall Telschow erklärte der Ausschußvorsitzende weiter, der VfS-Chef Wagner habe weder den Innensenator noch den Staatssekretär Müllenbrock von der „Auslaufphase“ des VfS-Mitarbeiters informiert. Damit wird Wagner im Komplex „V-Mann Telschow“ allein für die Bespitzelung des VfS-Kontrolleurs Pätzold verantwortlich gemacht.

In ihren Minderheitenvoten betonten dagegen SPD und AL die Mitverantwortung von Müllenbrock und Kewenig. AL-Vertreter Wolfgang Wieland beklagte die „Desinformationspolitik“ des Innensenators, mit der dieser versucht habe, die Opposition abzuspeisen. „Nach diesen ganzen Vertuschungsaktionen sollte auch der Innensenator den längst fälligen Rücktritt vollziehen.“

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