: „Gleich auf Seite 3“
■ Kunstredakteur Gert Gliewe und 'AZ'-Feuilleton-Chefin Gisela M.Freisinger zur Besetzung ihres Büros
Die Münchener 'Abendzeitung‘ am Donnerstag, einen Tag nach der Besetzung: Es gibt zwei Feuilleton-Seiten, die erste ist mit Stellenanzeigen gefüllt, nur oben ist noch ein bißchen Platz für den Artikel über die Aktion. Kunstkritiker Gert Gliewe, der Autor des Artikels, ist solidarisch mit den Studenten: Die Zustände an der Akademie seien tatsächlich katastrophal.
Aber der Forderung der BesetzerInnen, ihr Flugblatt abzudrucken, wollte er nicht nachkommen. Es sei viel zu langweilig und schlecht geschrieben. Er gesteht zunächst Parallelen zwischen der Lage der StudentInnen und der des 'AZ'-Feuilletons: „Natürlich sind wir auch abhängig von wirtschaftlichen Zwängen. Wenn es viele Anzeigen gibt, haben wir wenig Platz und umgekehrt.“ Dennoch hätten sie als öffentliches Forum immer wieder die Möglichkeit einzugreifen. Er erwähnt das „Kunstforum“ - ein Veranstaltungsort für Debütanten - das kürzlich kein Geld von der Stadt mehr bekommen sollte. Nachdem die 'AZ‘ darüber berichtet hatte, habe die Hypobank 50.000 Mark lockergemacht. Aber, gibt er zu, sicher sei jede Rezension auch kostenlose Werbung für ein Produkt: „Aus diesem Teufelskreis kommt man nicht raus.“
Die neue Feuilleton-Chefin Gisela Freisinger (und übrigens Ex-taz-Autorin) hält den Vergleich der StudentInnen zwar für eine „interessante Bemerkung über die Rolle der Kunst“, aber auf das Feuilleton der 'AZ‘ treffe das Verdikt von der Abhängigkeit mit Sicherheit nicht zu. „Wir haben hier schon eine größere Freiheit als eine Narrenfreiheit.“ Sie klingt, als sei sie ein wenig enttäuscht von den StudentInnen: „Die sind hier nicht so militant wie in Berlin, die zittern noch ein bißchen in der Stimme.“
Für den Donnerstag waren sowieso ausführliche Berichte über die Studentenproteste vorgesehen: „Ich hab sie dann gleich auf die Seite 3 geschickt.“ Über die Besetzung findet sich am nächsten Tag auf Seite 3 keine Zeile.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen