: Juristen gegen Bayerns „Vorbeugehaft“
Hearing der bayerischen Grünen zum neuen Polizeiaufgabengesetz / Fachleute kritisieren 14tägige Haft wegen einer Ordnungswidrigkeit als verfassungswidrig / Düsseldorfer Polizeipräsident warnt vor Störerdatei ■ Aus München Luitgard Koch
Unbeirrbar hält die bayerische Staatsregierung an ihren umstrittenen Plänen zur rigiden Verschärfung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes fest. Der Gesetzentwurf wurde bereits durch den bayerischen Senat mit geringfügigen Änderungen abgesegnet. An der Verlängerung der Polizeihaft von 48 Stunden auf zwei Wochen wurde festgehalten. Zu einem Hearing über dieses neue Gesetz lud die Grünen -Landtagsfraktion auch einen Vertreter der Staatsregierung ein. Doch Staatssekretär Günther Beckstein aus dem bayerischen Innenministerium erschien nicht, „da die grundsätzlich verschiedenen Auffassungen über innere Sicherheit auch durch Diskussionen nicht überbrückbar wären“.
Aber selbst der 54jährige Vertreter der konservativen bayerischen Polizeigewerkschaft, Gerhard Keller, hielt den auf vierzehn Tage verlängerten „Unterbindungsgewahrsam“ für überzogen. „Acht Tage sind ausreichend“, meinte er. Sein Kollege von der Vereinigung kritischer Polizisten, Max Maier, befürchtete, daß dieses Gesetz der „Gesinnungsabwehr“ dient. „Bei Umweltkriminalität ist weder ein Regelkatalog noch Unterbindungsgewahrsam vorgesehen, da wär es sinnvoller“, stellte er fest.
Grundlegende Kritik an dem geplanten Vorhaben äußerte auch der Düsseldorfer Polizeipräsident, Hans Lisken. Er verwies darauf, daß es in Nordrhein-Westfalen keinen Bedarf für eine derartige Fristenregelung gebe und auch noch keine Polizeihaft über 24 Stunden durchgeführt wurde. Selbst bei der Fußball-Europameisterschaft sei dies nicht notwendig gewesen. Lisken warnte vor allem davor, aus der Gesetzespassage, wonach eine Person in Haft genommen werden darf, wenn sie „in der Vergangenheit bereits mehrfach...als Störer aufgefallen ist“, das Recht zur Erstellung einer Störerdatei herzuleiten. Der Schutzauftrag legitimiere nur zur konkreten Gefahrenabwehr, aber nicht zur vorbeugenden Gefahrenabwehr durch Eingriffe in Persönlichkeitsrechte von Unbescholtenen. „Wer bescholten ist, kann nicht das Polizeigesetz feststellen“, betonte er.
Als „verfassungswidrig“ bezeichnete es der Frankfurter Professor Erhardt Denninger, Personen wegen einer bloßen Ordnungswidrigkeit in Polizeihaft zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe in mehreren Urteilen festgestellt, daß Freiheitsentzug nur aus besonders gewichtigen Gründen angeordnet werden könne. Ähnlich sehe es auch die Europäische Menschenrechtskonvention, die dem Bundesgesetz gleichgestellt sei. Mit der bayerischen Regelung werde stark in das Versammlungsrecht eingegriffen. Ein solcher Eingriff stehe der Landesgesetzgebung jedoch nicht zu.
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