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IMMER LÄCHELN

■ Ines Berger im Cafe Mora, Ilona Freyer in Riehmers Hofgarten

Oberlippenbärtchen, die Haare pomadisiert, natürlich im Mantel, unter dem sich vom Maschinengewehr bis zum Schmuckstück des Exhibitionisten alles verbergen läßt, so grinst er mit der x-ten Kopie eines im Mundwinkel festgeklemmten Lächelns von Clark Gable zum Ende der Theke herüber. Glücklicherweise besteht diese von der eigenen Unwiderstehlichkeit überzeugte Karikatur eines Machos nur aus Farbe und Leinwand, doch unzweifelhaft geistert irgendwo durch diese Welt auch das furchterregende Original. Der Anblick der beiden, die in meinem Rücken sitzen, stimmt auch nicht gerade lebensfroh: Da hocken sie und tun so intim und angetrengt locker, als würde gerade „Achtung Aufnahme“ gebrüllt, und sie wollten doch unbedingt auf dem Bild hinterher ganz natürlich und glücklich aussehen. Die Leinwand ist vor lauter Anstrengung, Spontaneität einzufangen, schon lila und orange angelaufen wie einer, der die Luft anhält.

Erst allmählich sickert die kleine Bösartigkeit der Portraits von Ines Berger ins Bewußtsein. Zuerst schienen mir ihre Bilder im Cafe Mora nur ein Beleg mehr für die Epigonen der „neuen Wilden“: mit dicken Pinselstrichen und expressiv gemalt. Aber Ines Berger, die bisher als Autodidaktin gemalt hat und einen möglichen Studienplatz an der HdK sausen ließ, hat es auf bestimmte Posen der Selbstdarstellung abgesehen. Als würden sie vor dem Spiegel für den Fotografen üben, um sich ernst, leidenschaftlich, verliebt, einsam, geistreich oder geheimsnisvoll zu inszenieren, so wirken die von ihr Portraitierten. In der eitlen Cafehaus-Kulisse befinden sie sich genau am richtigen Ort.

Im hintersten Zimmer wuchert die Phantasie der Portraitistin monströs und barock. Da haben die „special guests“ auf einmal Fischschwänze und Froschaugen, lange Schnäbel oder bissige Schnauzen. Eine Methamorphose in die alte Bildsprache der Begierden und Lüste hat eingesetzt. Die grün-grauen Farben scheinen schon den Schimmel und Staub vorwegzunehmen, der an diesen Symbolen haftet.

In der Galerie Manfred Giesler hinter dem Mora wird es privater. Von Ilona Freyer, die bis zu ihrem Tod 1984 als Bühnenbildnerin öffentlich und für große Plätze und Räume denkend arbeitete, sind Skizzen und Zeichnungen ausgestellt, die eher marginal wirken. Es sind Studien von der Körpersprache der kleinen Gesten und dicht komponierte Miniaturlandschaften. Bleistift, Filzstift, Aquarell und Kreide: der flüchtige Moment wird betont, die schemenhaften Gestalten nehmen ihre Orte versuchsweise ein. Die Reduktion der Figuren nimmt dies dabei aus einem historisch -topographischen Koordinaten-System heraus und beschränkt sich auf eine umfassende Formel für das menschliche Wesen, die den eingesponnenen Embryo ebenso wie das Skelett des Toten einschließt.

Katrin Bettina Müller

Ines Beger: „special guests“ im Cafe Mora bis 13.2., Ilona Freyer in der Galerie Manfred Giesler bis 22.2., Mi-So 15-18 Uhr.

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