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Der Widerstand kämpft sich nach Kabul vor

■ Der letzte Stützpunkt der Regierungstruppen in Afghanistan, die Garnisonsstadt Dschalalabad, wird von allen Seiten von Widerstandsgruppen angegriffen / Die Hauptstadt entleert sich langsam / BRD-Botschaft soll in nächsten Tagen geschlossen werden

Peshawar/Kabul(ap/afp/taz - Nach Angaben aus der afghanischen Stadt Dschalalabad befinden sich die Widerstandskämpfer nur noch fünf Kilometer vor der strategisch wichtigen Garnisonsstadt im Osten des Landes. In einer konzertierten Aktion rückten Rebellenverbände jetzt erstmals auch aus nördlicher Richtung auf die Stadt vor, hieß es.

Dschalalabad ist der letzte Stützpunkt zwischen der pakistanischen Grenze und Kabul, der sich noch in der Hand der Regierungstruppen befindet. Bisher erfolgten die Angriffe der Mudschaheddin auf die Stadt immer vom Süden und Westen, jedoch nie vom Norden. Dennoch zögern die Mudschaheddin die Stadt einzunehmen, bevor sie sich nicht der Kooperation der zivilen Administration und damit einer weitgehend kampflosen Übernahme sicher sein können. Und die zerstrittenen Widerstandsfraktionen sind bereits eifrig bemüht, die andernorts vorgekommenen Brandschatzungen und Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung eingenommener Bastionen der jeweils anderen Partei in die Schuhe zu schieben. Noch gibt es allerdings einen gemeinsamen Feind: Wenn es niemand gewesen sein will, waren es die Kommunisten.

Die amtliche sowjetische Nachrichtenorganisation 'Tass‘ meldete dagegen am Donnerstag, die Rebellen hätten in den vergangenen drei Tagen mehr als 2.500 Raketen auf die Stadt Kundus abgefeuert. Dabei seien mehr als 30 Bewohner getötet und verwundet sowie erheblicher Sachschaden angerichtet worden. Auch ein US-Militärberater sei getötet worden, außerdem sieben arabische Berater und etwa 400 Mudschaheddin.

In Kabul macht sich wenige Wochen vor dem für Mitte Februar geplanten Abzug der letzten sowjetischen Truppen die Angst vor dem Zorn der Sieger breit. Auch ausländische Diplomaten glauben nicht mehr daran, daß sich das Nadschibullah-Regime halten kann und bringen sich vor den zu erwartenden schweren Gefechten um die Hauptstadt in Sicherheit. Die Botschaft der BRD soll in wenigen Tagen geschlossen werden. Selbst die sowjetische Botschaft schickte in den vergangenen Wochen einen großen Teil ihres Personals nach Moskau zurück. Afghanische Familien, soweit sie Verbindungen und Geld für Ausreisepapiere und Flugtickets haben, sehen zu, daß sie nach Neu Delhi entwischen. Der Treibstoff für diese „Evakuierungsflüge“ inzwischen knapp geworden, und die Maschinen müssen den Sprit für den Rückflug aus Indien mitbringen.

Die Versorgungslage in der 2,25-Millionen-Hauptstadt wird zunehmend gespannter. Die Mudschaheddin versuchen, das Nadschibullah-Regime mit Angriffen auf Lebensmittel- und Munitionskonvois erfolgreich unter Druck zu setzen und bereiten sich auf die Einnahme der noch von Moskau gestützten PDPA-Bastion vor. Doch nicht allein die führenden Parteifunktionäre, Gefolgsleute der kommunistischen Regierung sowie die Angehörigen der gefürchteten Geheimpolizei Khad, der von amnesty international und anderen humanitären Bewegungen Folterungen im großen Umfang vorgeworfen werden, fürchten ein Blutbad.

Allein in Kabul sorgen sich die Mudschaheddin-Führer darum, ungefähr 200 Zielen besonderen Schutz zukommen zu lassen: Botschaften, Museen und Treibstofflager, Feuerwehren, Krankenhäuser und die Lebensmittelversorgung. Schon 20.000 bis 30.000 Einwohner, darunter Regierungsbeamte und Soldaten seien für die Mudschaheddin tätig, behauptet einer ihrer Führer Abdul Haq.

Ist der gemeinsame Feind erst einmal geschlagen werden Freund und Feind auch in den eigenen Reihen der „Freiheitskämpfer“ schwer auszumachen sein. Mindestens 15 afghanische Widerstandstruppen rechnen mit einem Anteil an der Macht in Kabul. Acht von ihnen haben ihre Basis beim schiitischen Revolutionsregime im Iran, die anderen sieben operieren von Pakistan aus. Chef der in moderate und radikal -fundamentalistische Kräfte zerfallenden Siebener-Allianz ist derzeit turnusgemäß Sighatullah Mudjaddedi (siehe Interview auf dieser Seite), Führer der Afghanischen Nationalen Befreiungsfront und ehemaliger Professor für islamische Theologie. Mudjaddedis Partei wird neben zwei weiteren Fraktionen zur gemäßigten Richtung der Widerstandsbewegung gerechnet. Sie haben denn auch eine Rückkehr des früheren Königs Zahir Shah und seine Berufung zum Staatsoberhaupt durch eine „Nationalversammlung“ als eine Möglichkeit befürwortet, das Volk vorläufig hinter einer Galionsfigur zu einen, um Bedingungen für freie Wahlen zu schaffen.

Mudjaddedis Vorgänger als Vorsitzender der Allianz war Burhanuddin Rabbani, der an der Spitze der Jamiat-e-Islami nebst den restlichen Organisationen einen fundamentalistischen Kurs verfolgt und eine Rückkehr des Königs ebenso ablehnt wie die Durchführung von freien Wahlen des gesamten afghanischen Volkes, einschließlich der religiösen Minderheiten, geschweige der Frauen.

sl

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