KPdSU und Grüne streiten übers Atom

Fünftägiges Seminar im Wendland / Umweltberater Gorbatschows an der Spitze der Delegation  ■  Aus Bonn Reimar Paul

Ivan T.Frolow ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und des ZK der KPdSU; er fungiert als Umweltberater von Gorbatschow und hat den 500-Seiten-Wälzer „Globale Probleme der Zivilisation“ mitverfaßt. Am 25.Januar kommt Frolow als Leiter einer kleinen Delegation sowjetischer Funktionäre und Fachleute, verstärkt um zwei Dolmetscher und einige Journalisten, in die Bundesrepublik. Grund des Besuches: Ein „Ost-West-Seminar“ über Atomenergie, an dem auf Gastgeberseite die Grünen, atomkritische Wissenschaftler und Leute aus der Anti-AKW-Bewegung teilnehmen.

Fünf Tage lang, vom 25.bis 29.Januar, sollen in einem Tagungshaus im Wendland die „friedliche Nutzung der Kernenergie“ behandelt werden, allgemein und im speziellen.

Die Idee zu diesem Seminar und einer Rückrunde in Moskau geht auf eine Vereinbarung zwischen der KPdSU und dem Bundesvorstand der Grünen bei deren Moskau-Besuch vor über zwei Jahren zurück. Mit der Realisierung des Projekts haperte es zunächst; nur zögerlich ließ sich die sowjetische Seite Antwortbriefe, Themenvorschläge, und TeilnehmerInnenlisten entlocken. Die von der KPdSU mit dem Seminar verknüpften Absichten blieben im Dunkeln. Die bundesdeutsche Delegation möchte dagegen die atomkritische Fraktion im Partei- und Wissenschaftsapparat der Sowjets stärken und für Informationsfluß sorgen.

Der Zusammensetzung der sowjetischen Delegation läßt sich, trotz klangvoller Namen und Funktionen, nicht entnehmen, ob die Gäste nur einer Pflicht nachkommen und sich ansonsten in ihren atomaren Plänen und den Hochtemperaturreaktor -Geschäften mit der Bundesregierung nicht weiter stören lassen. Oder ob, Glasnost-bedingt, die neue Offenheit auch gegenüber „heiligen Kühen“ wie dem eigenen Atomprogramm angesagt ist.

Neben Frolow umfaßt die Gästeliste u.a. den stellvertretenden Leiter der Kommission für Produktivkräfte und Naturressourcen beim Präsidium der Akademie der Wissenschaften, Dr.Schelast, und den Chef der Hauptverwaltung für Wirtschaft und Technik im Atomministerium, den Genossen Ignatjenko.

Bei den wissenschaftlich-technischen Diskussionen werden es die sowjetischen Teilnehmer vor allem mit den alternativen Forschungsinstituten zu tun bekommen. Durch eigens für das Seminar erstellte Gutachten und ausführliche Sichtung auch der sowjetischen Literatur haben sich WissenschaftlerInnen des Öko-Instituts, der „Gruppe Ökologie“ und der Bremer Uni vorbereitet, die Gäste inhaltlich in die Ecke zu drängen. Politisch Farbe bekennen sollen sie durch die Konfrontation mit Themen wie „Internationale Atomgeschäfte“ oder „Zusammenhänge von militärischer und ziviler Atomenergienutzung“.

Eine in der Hamburger „Fabrik“ geplante Veranstaltung unter dem Titel „Marxismus und Ökologie“ wird dagegen ausfallen. Eine ausreichende Vorbereitung und Mobilisierung war nicht mehr gewährleistet, nachdem die als Veranstalterin angefragte GAL abgewunken hat. Das Thema soll trotzdem diskutiert werden, nunmehr im Rahmen des Seminars. Eine andere Veranstaltung bleibt weiterhin im Programm. Am 27.Januar werden Jutta Ditfurth, Jens Scheer, Ivan Frolow und vermutlich viele ZuhörerInnen in einem wendländischen Kneipensaal über Atomenergie in Ost und West debattieren. Thema: Tschernobyl - Schon vergessen?