Nicht ewig rauschen die Wälder

■ Ohne ein Soforthilfeprogramm sind die Tropenwälder in 50 Jahren verschwunden / Von Reiner Scholz

Alle 30 Minuten gehen 1.000 Hektar tropischen Regenwaldes unwiederbringlich verloren, in 50 Jahren wird es nach Berechnungen des renommierten Wissenschaftlers Norman Myers, wenn die Entwicklung anhält, keine mehr geben. Diese alarmierenden Zahlen sind nun auch ins verschlafene Provinznest Bonn gedrungen. Mitte der Woche konferierte der malaysische Exekutiv-Direktor der ITTO (Zusammenschluß von 22 Verbraucher- und 18 Produzentenländern), Dr.Freezailah mit Holzimporteuren, Regierungsstellen und Umweltschutzverbänden. Gestern debattierte der Bundestag darüber.

Waschkörbeweise erhielt Entwicklungsminister Hans Klein im Oktober letzten Jahres Briefe folgenden Inhalts: Hiermit unterstütze ich die Kampagne zur Erhaltung des tropischen Regenwaldes der Umweltschutzorganisation Robin Wood. Sandra B. aus Reutlingen schrieb noch dazu: „Ich finde es beschissen, daß sowas überhaupt erlaubt wird, nur damit die Amis und die anderen McDonald's-Freaks billig ihre Hamburger fressen können. An das Aussterben der 1.000 Tierarten denkt niemand, obwohl diese Tiere doch viel wichtiger sind als diese Amipampe.“ Sandra war einem Aufruf ihrer Teenie -Wochenzeitschrift gefolgt und Tausende mit ihr. Das Schicksal des tropischen Regenwaldes läßt die Bundesbürger, zehn Jahre nach den ersten Warnungen, nun nicht mehr kalt.

Schon haben nach Auskunft von Reinhard Behrend, Herausgeber der 'Regenwälder-Zeitung‘ und Motor des „Regenwälder -Zentrums“, über 50 Städte und Gemeinden einen Boykottbeschluß gefaßt, Göttingen, Kassel, Neumünster, Bayreuth, Erlangen, Plön, Elmshorn, Verden an der Aller und auch Köln gehören dazu, in anderen läuft das Verfahren noch. Der Geschäftsführer des in Hamburg ansässigen Vereins deutscher Holzeinfuhrhäuser, Hartmut Schulze-Riewaldt, kommt aus dem Stöhnen nicht mehr heraus: „80 Prozent meiner Arbeit gehen für die Boykott-Geschichten drauf“, sagt der Mann, der unfreiwillig über Nacht berühmt wurde.

Alte Produkt-Philosophien geraten ins Wanken: „Tropenholz“, das stand bisher für Schönheit, für Festigkeit, für astfreie Stämme, und dies alles sehr preiswert. Jetzt steht der hier eingeführte Rundholz-Stamm für: Tod - für das Ende des Regenwaldes und der dort lebenden Völker, möglicherweise auch das Ende der Menschheit. In den Industrienationen steht er allerdings für ein nobles Ende in Mahagoni-Särgen, die ab 8.500 Mark im einschlägigen Handel erhältlich sind.

Soweit soll es nicht kommen. Die Gegenwerbung ist international. Punan kämpfen in den Regenwäldern Borneos, vom Mord bedrohte Gummisammler in den Weiten Amazoniens. In Großbritannien hat die äußerst aktive Organisation „Friends Of The Earth“ - die Wiege des Boykotts - für alle Holzgeschäfte Listen darüber ausgearbeitet, mit welchem Holz sie handeln. Die große Handelskette „Habitat“ hat bereits auf Tropenholz verzichtet. In den USA hat ein Boykott der Fast-Food-Kette „Burger King“ Umsatzeinbußen von zwölf Prozent beschert, australische Umweltschützer blockieren mit Holz beladene Schiffe, und die mächtigen holländischen Umweltorganisationen haben sich zum Ziel gesetzt, den Tropenholz-Verbrauch im nächsten Jahr auf 50 Prozent zu reduzieren. Die Schweizer Bundesbahn will zukünftig auf Tropenholz beim Innenausbau und bei Bahnschwellen verzichten (anders als die Deutsche!) und die französischen wie englischen Importeure haben sich gar bereit erklärt, fünf Prozent ihres Einkommens als Importabgabe zu Rekultivierungszwecken in die Herkunftsländer zurückfließen zu lassen - wenn andere Importeure mitziehen. Die Regierung Thailands hat kürzlich jegliches Abholzen ihres nur noch spärlich vorhandenen Regenwaldes untersagt.

Bundesdeutsche Umweltverbände fordern ein weitgehendes Importverbot. Die noch verbliebenen Primärwälder sollen „absolut“ geschützt, die darin lebenden Naturvölker nicht „angetastet“ werden, heißt es in einem Memorandum, das 73 Umweltverbände dem Bundeskanzler in der letzten Woche überreichten. Von Termin zu Termin, Seminar zu Seminar muß Gerriet Harms durch die Bundesrepublik reisen, der Oldenburger Holzhändler, der ganz auf Tropenholz verzichtet. „Tropisches Holz ist durch heimisches ersetzbar“, lautet seine Botschaft. „Der Bau einer freitragenden Brücke aus Douglasienholz statt Bongossi und Bankirei brachte den Stadtvätern von Baden-Baden gar eine Einsparung von 250.000 Mark“, widerspricht er der Angst um die Kostenexplosion für kommunale Haushalte.

Immer mehr Experten melden sich zu Wort, die die „Selbstverpflichtung“ der deutschen Holzimporteure zum „nachhaltigen“ (also schonenden) Holz-Einschlag für ein Ammenmärchen halten. So Dietrich Burger von der „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“ (GTZ) in Wiesbaden: „Mir ist kein einziges gelungenes Beispiel einer nachhaltigen Holzentnahme bekannt.“ Darüber hinaus werden 90 Prozent aller hier, vorwiegend über Bremen, den zweitgrößten Tropenholz-Importhafen Europas, eingeführten Hölzer von ausländischen Firmen geschlagen. Doch die deutsche Wirtschaft reagiert auf dieses Thema ohnehin wenig sensibel. Entgegen Protesten der Umweltschützer wählte sie im März 1988 den Waiblinger Unternehmer Hans-Peter Stihl zum Vorsitzenden ihres „Deutschen Industrie- und Handelstages“ (DIHT). Stihl hat sein Geld mit dem industriellen Abholzen der Tropenwälder gemacht, dem weltweiten Verkauf von Motorsägen. „Er ist mit weitem Abstand Nummer eins zwischen Amazonas und Pampa“, schrieb damals die 'Frankfurter Allgemeine‘.